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kann, Menschen und Vieh Schaden thun kann. Er muß sich aber dann in seiner wahren Menschengestalt zeigen, wenn ein unschuldiges Kind ein Stück Stahl über ihn hinwirft, und die eher wieder aufgreift, als der Währwolf; greife aber der Währwolf es zuerst, so ist das Kind verloren, denn jener wird wüthend und zerreißt es. Es sind schon wohl dreyhundert Jahre her, als ein solcher Währwolf in dem Dorfe Ergste lebte. Er hatte mit dem Teufel einen Bund gemacht und konnte sich in allerley Gestalten verwandeln und verübte allerley boshafte und gefährliche Streiche. Besonders liebte er es, sich in einen Wolf zu verwandeln, und in dieser Gestalt Schaafe, Kühe und anderes Vieh aus Ställen und Weiden zu rauben. Jedermann fürchtete ihn, aber Niemand konnte ihm etwas anhaben, denn die Macht des Satans beschützte ihn. Einstmals aber, als er in den Stall eines Bauern gedrungen war, um Schaafe zu stehlen, warfen die beyden Knaben des Bauern, der Eine eine Scheere, der Andere ein Messer kreuzweise über ihn, und fingen es geschwind wieder auf, ehe der Währwolf dazu kommen konnte. Jetzt mußte er seine natürliche Gestalt annehmen und sich gefangen geben. Er wurde nach Limburg an das peinliche Halsgericht gebracht, und hier, um zu sehen, ob er ein Zauberer sey oder nicht, unterm Oegersteine in die Lenne geworfen. Wenn er oben blieb, so war er ein Zauberer, wenn er aber zu Grunde gehen konnte, so war es gut. Lange schwamm er oben und es war ihm nicht möglich, unterzutauchen, und schon wollten Richter und Volk ihn als einen bösen Zauberer verurtheilen. Da wandte der Währwolf in seiner Herzensangst sich an seinen Bundesgenossen,

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_276.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)