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Thränen der Wehmuth und Freude entstürzten den blinden Augen des Greises, und den frommen des Knaben Hyazinth, als sie sich wieder hatten, und einander wieder an die liebenden Herzen drücken konnten. Laut dankte der edle Greis dem Himmel, daß er ihm die zwey Erstgebornen genommen, sein Alter doch nicht ganz hülflos gelassen habe.

Die Ritter des Kaysers, die Zeugen des Auftritts waren, wurden auf das innigste gerührt, die beyden fremden Ritter aber und die Oberpriesterin wurden sehr unruhig. Und die letztere und der Ritter Ischyrion naheten sich dem Greise, und fragten ihn gleichzeitig, ob seine verlorene Erstgebornen nicht Clodoald und Hildegardis geheißen, und ob er nicht der Statthalter Clodoald von Jüttland sey.

Wohl bin ich der! Und wohl hießen meine armen Kindlein so! antwortete der Greis, von Schmerzen der Erinnerung ergriffen.

Da sahen die beyden fragend, zuerst voll Verwunderung sich an, dann warfen sie sich weinend vor dem blinden Greise nieder, umschlangen seine Knie und küßten seine Hände, und entdeckten ihm, daß sie seine geraubten und wieder gefundenen Kinder seyen.

Clodoald und Hildegardis waren von den räuberischen Normanen, jener nach Afrika an einen Schäfer, diese in das Herz von Sachsen an Priester verkauft. Clodoald war mit dem Sohne seines Herrn, seinem Begleiter Faustinus, in allen ritterlichen Künsten und Uebungen auferzogen worden, und befand sich jetzt auf dem Zuge, sein Vaterland und seine geliebten Eltern wieder aufzusuchen. Hildegardis war zum Dienste der Götter geweihet worden, und vergebens hatte sie seit

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_264.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)