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jeder Widerstand gegen seine ungeheure Macht war vergeblich gewesen, alles hatte sich vor ihr demüthigen, sich ihr unterwerfen müssen. Hier an der Diemel aber fand er zuerst einen kräftigen Widerstand, der um so nachtheiliger auf sein Heer wirkte, je unerwarteter er war. In den undurchdringlichen Urwäldern Westphalens fand das Heer keine Lebensmittel; Hunger und Durst griffen mit entsetzlicher Gewalt um sich, und entkräfteten den Krieger, der gerade hier, um aus dem Gewinde der Waldungen zu kommen, die meisten Kräfte nöthig hatte. So kamen sie in den heiligen Wald, erschöpft vor Hunger, noch mehr aber vor brennendem Durste. Als sie aber das Ungethüm der Irmissäule auf hohem Altare vor sich erblickten, da erwachte, trotz Erschöpfung und Ermattung, noch einmal ihr wilder Muth. Herunter mit dem Götzen! rief der große, fromme Kayser! Und tausend Hände und tausend Waffen waren beschäftegt, schneller seinem Befehl zu vollstrecken, als er ihn ausgesprochen hatte. Zerschmettert, mit weithin durch den Wald schallendem Donner stürzte der Gott von seinem Gestelle, flog der Altar auseinander.

Und siehe! in demselben Augenblicke öffnete mit fröhlichem Gemurmel sich ein reicher Quell, und strömte sein klares Wasser dem erstau[n]ten Carl entgegen. Es war der Bullerborn, den die Priester, um das Volk durch einen verspiegelten Zorn der Götter desto mehr zu entflammen, durch eine im Altare der Irmensäule angebrachte Vorrichtung aufgehalten hatten. Der fromme Kayser aber glaubte ein Wunder zu sehen und fiel auf die Knie und dankte laut Gott, während das Heer jauchzte und an der köstlichen Gabe des Himmels sich erquickte.

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_262.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)