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hier verübt worden, und doch floß Blut den Göttern, und es war ihnen angenehm!

Eine halbe Sekunde lang senkte sich das dunkle Auge der Priesterin, wie aus Verlegenheit, schnell aber erhob es sich wieder klar und mit zürnendem Strahle. Verwegener! rief sie; Mögen die Götter ein Zeichen geben, um ihren Willen zu verkünden!

Und wie sie kaum die Worte gesprochen hatte, erhob sich fernes dumpfes Getöse im Walde, das immer näher kam, und immer lauter und verwirrter wurde. In angstvollem Harren stand der ganze Kreis, der das von der heiligen Jungfrau herabbeschworene Zeichen der Götter herannahen zu sehen fürchtete.

Fliehet! Fliehet! riefen tausend herandringende Stimmen auf einmal, und die Nähe des Altars füllte sich mit bleichen Gesichtern. Der große Schlächter nahet, hoch das Christenschwert schwingend, Tausende unserer Brüder sind schon vor ihm gefallen! Fliehet, Ihr Priester und Priesterinnen! Fort mit den Heiligthümern vor seinen entweihenden, Händen!

Blasse Furcht ergriff das Chor der Priester. Sie rafften zusammen, was sie greifen konnten, Heiligthümer und Kostbarkeiten, und flüchteten damit in die nahe feste Fresburg. Auch die Gefangenen vergaßen sie nicht, schleppten sie mit sich, und warfen sie in die Gefängnisse der Burg, um bey der ersten Gelegenheit, wo es einer Erregung, einer öffentlichen Anfeuerung des Volkes bedurfte, ihr grausames Schicksal an ihnen zu vollziehen.

Das gewaltige Heer Kayser Carl des Großen überschwemmte jetzt den heiligen Wald. Siegreich war der Kayser von Franken bis an die Diemel gekommen,

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_261.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)