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Kreisen um ihr Opfer, und suchen es schnell zu ersticken, ehe die freche Hand der Räuber es erreichen können.

Als das die beyden Ritter sahen, ließen sie vom Kampfe nach, und baten mit milderer Stimme um Freylassung des Knaben, und erboten sich, dafür mit den wilden Thieren, den Bären, Wölfen und Löwen zu kämpfen, die den Gott bewachten. Ihr Erbieten wurde angenommen, und die Ungethüme fielen brüllend unter den nervigen Fäusten der Ritter. Aber anstatt den Knaben freyzulassen, erhoben die Priester jetzt von neuem wildes Geheul und wehklagten über die Beleidigungen, die ihren Göttern widerfahren seyen. Und wie nun von allen Seiten neue Haufen von Kriegern herbeystürzten, ihren Götzen zur Hülfe, da wurden die Ritter von der Macht der gegen sie Anstürmenden fast erdrückt, ihre Rosse sanken todt unter ihren Leibern dahin, und die durch so vielfache und schwere Anstrengungen Erschöpften mußten ohnmächtig erleiden, wie auch sie in Fesseln geschlagen wurden.

Laute Freudengeschreye durchjubelten jetzt den Wald, und jauchzend wurden der Knabe und die beyden Ritter zu dem Altare geschleppt, um auf der Stelle der beleidigten Gottheiten geopfert zu werden. Aber da trat hinter einer heiligen Eiche die Oberpriesterin des Gottes hervor, ernst und majestätisch, eine hohe Gestalt, angethan mit weißen, wallenden Kleidern, das Antlitz mit einem dichten Schleyer bedeckt, und überschaute mit einem ernsten, klaren Auge den empörten Haufen, und kein Laut wurde mehr gehört, und keine Gestalt bewegte sich mehr.

Lange dauerte diese Stille, wie des Grabes. Da trat der erste Priester hervor und sprach mit dem Tone

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_259.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)