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alle Kraft der Sehnen und Muskeln fühlte er urplötzlich aus seinem Körper entweichen, und seine Augen waren mit ewiger, undurchdringlicher Nacht bedeckt. Das Rachegeschrey kam unterdeß immer näher und näher, und füllte schauerlicher den Wald, und in wenigen Minuten waren der Greis und Knabe von einem zahllosen Haufen Priester und Krieger umringt, deren Augen Wuth, Rache und Mordgier sprüheten. Von neuem wehklagten sie, und zerrissen ihre Kleider, zerrauften ihre Haare, zerschlugen ihre Waffen, als sie den heiligen Eber starr, in seinem Blute schwimmen sahen. Dann fluchten sie dem Frevler, der dieses gethan, und unter Androhung der entsetzlichsten Martern ergriffen sie Clodoald und seinen Knaben.

Es geschah dieses gerade zu einer Zeit, als der große Carl auf dem Reichstage zu Worms die Vertilgung der Heiden und die Einführung des Christenthums in Sachsen beschworen hatte, und zur Lösung seines Schwurs ein gewaltiges Kriegsheer jetzt rüstete und im Begriffe stand, mit demselben in das Herz des Sachsenlandes einzufallen. Der Herzog Wittekind und die Priester hatten wohl Kunde davon bekommen, und während jener im Lande umherzog, um Vertheidiger des väterlichen Heerdes zu werben, verkündeten die Priester und ihre Orakel schwere Beleidigung der Götter und entsetzliches Unheil der Völker, das daraus folgen werde, und feuerten durch Gesänge und Wunderzeichen den Muth des Volks zur rasenden Wuth an. Was Waffen tragen konnte, versammelte sich in dem heiligen Hayne, am Altare der Irmensäule, und brannte vor Begierde, den beleidigten Göttern zahlreiche, blutige Opfer zu bringen.

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_256.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)