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Er rüstete Kriegsschiffe und Heere aus, um sie zurückzugewinnen; er sandte Boten und Gesandten in alle Weltgegenden, in alle Länder. Allein alle seine Bemühungen und Sorgen waren fruchtlos; nicht einmal eine Spur der Geraubten konnte er entdecken. Jahre verschwanden und verschwanden wieder, Ein Bote kehrte nach dem Anderen zurück, aber von den geraubten Kindern brachte Niemand Kunde.

Die Zeit war wohl im Stande gewesen, das Haar des unglücklichen Vaters zu bleichen, allein seinen Gram konnte sie nicht verlöschen und nicht vermindern. Vierzehn Jahre waren vergangen, der Letzte seiner Boten war zurückgekehrt, umsonst wie die Uebrigen. Da entschloß sich der Greis, der noch Kräfte zu einem solchen Unternehmen in sich spürte, selbst die gefahrvolle Reise anzutreten und seine geliebten Kinder aufzusuchen. Mit seinem, nach dem Raube seiner Erstgebornen, ihm noch nachgebornen Knaben Hyazinth machte er sich auf den Weg, und durchstrich die Länder Europa, Asien und Afrika von Einem Ende bis zum andern, und fragte und forschte überall nach den Geraubten, und bekam nirgends Bescheid und nirgends eine Spur von ihnen. Da erkannte er in Demuth den Willen der Götter, die ihm sein Liebstes nicht zurückgeben wollten, und, wenn auch mit zerrissenem Vaterherzen, doch diesen höheren Willen ehrend, machte er sich auf den Rückweg in die Heimath.

Sein Weg führte ihn durch das Land Westphalen, wo er bey einem theueren Verwandten einkehrte, um sich einige Tage auszuruhen, und zu dem Ende seiner Reise zu stärken. Der Verwandte nahm ihn mit auf eine große Jagd, die er in den ungeheuren Forsten der

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_254.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)