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Beruhigter faßte er nach einer Weile die Hände seiner Kinder, und führte sie zum Kamine zurück. Du hast Recht, Hermann! sprach er hier. Wir wollen schlagen. Besser, edel und auf einmal unterzugehen, als in schnöder Ruhe Jahrelang gemartert zu werden, jeden Tag denken zu müssen, es ist der letzte, an dem die Sonne Deines Glückes leuchtet. Laß uns morgen schlagen. Morgen sey der Tag unseres Unterganges!

Unseres Sieges! Vater! rief der Ritter.

Aber der Burggraf schüttelte das Haupt, und sah lange schweigend vor sich nieder. Auf einmal ermannte er sich, mit einem freyen Blicke sah er seine Kinder an. Ihr werdet, hob er an, mein Betragen und meinen Zustand nicht begreifen können. Ich will ihn Euch erklären. Hört mich an, und erfahret zugleich eine entsetzliche Geschichte, die ich nicht länger in meinem Busen verschließen kann, die wie mit giftigen, glühenden Krallen ihn zerfleischt, um sich hinauszuarbeiten. Aber wenn Ihr sie gehöret habet, so verdammet mich nicht, sondern schreibt sie tief in Eure Herzen ein, damit das Elend Eures Vaters Euch ein Sporn sey, glücklicher zu werden als er.

Ich wurde von einem strengen, harten Vater erzogen, der nur seinen Willen kannte, keinen anderen gelten ließ, am wenigsten den meinigen. Ich führte das eingezogenste, abhängigste Leben. Auf einem Turniere zu Cassel lernte ich eine edle Dame kennen; wir liebten uns; allein mein Vater hatte mir eine andere bestimmt. Ich wurde vermählt gegen meine Neigung, und mußte noch abhängiger leben, als vorher. Eine unbegrenzte Sehnsucht nach Freyheit, nach Glück drohete meine Brust zu zersprengen.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_238.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)