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großes, wildes Heer am Stromberge halte, war zu allgemein verbreitet und verursachte zu großen Schrecken, als daß nicht jeder Reisende die größten Umwege sollte genommen haben, um nur nicht diese Gegend der Gefahr berühren zu müssen. Bömmelingen mußte daher jeden Tag unverrichteter Sache zurückkehren, was ihn jeden Tag mehr verstimmte. –

Es war ein warmer Nachmittag des Spätsommers; der Burggraf ging in tiefem Nachsinnen in dem Garten hinter der Burg umher, das finstere Auge starr an den Boden geheftet. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schienen wechselsweise vor seinem Geiste vorüber zu schweben, aber nicht in angenehmen, heiteren Bildern. Zwar hatte er wenige Tage vorher von dem Grafen von Tecklenburg, der sich noch immer in Lübeck bey dem Kayser befand, Nachricht erhalten, das er die besten Hoffnungen habe, daß er mehrere Großen des Reichs, die sich im Gefolge des Kaysers befanden, für seine Sache gewonnen, daß selbst der Herzog von Bayern und der Graf von Würtemberg ihn unterstützten, und der Kayser daher schon angefangen habe zu schwanken, bald aber seinen ungerechten Ausspruch einsehen und ganz zurücknehmen werde. Nichtsdestoweniger war jedoch die Stimmung des Burggrafen durch das lange gespannte Harren und durch die lange Stille, in der auch er jetzt immer mehr eine drohende Gewitterschwüle sah, von Tag zu Tag trüber geworden. So lange ein Gegenstand des Hasses und Neides seiner geistlichen Nachbaren, und einmal auf ungerechte Weise verurtheilt, konnte er, zumal bey dem ihm nur zu wohl bekannten erbärmlichen, weibischen Charakter des Kaysers, sich nicht überreden, daß sein Schicksal

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_227.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)