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Doch der Graf ging mit starken Schritten im Gemache auf und nieder; sein beleidigter Stolz wurde immer lauter in ihm, sein Zorn immer heftiger. Einzelne Worte: Frecher Bube! Unverschämter! In meinem eignen Hause! – entfuhren seinen Lippen. Auf einmal ging er zu seiner Tochter; seine Züge waren ruhiger geworden.

Du liebst, Sophie? fragte er sie mit milder Stimme. Du liebst Hermann von Morian? Geahnt habe ich es lange; diese Stunde hat mir Gewißheit gegeben!

Ein dunkler Purpur überglühete das bleiche Gesicht der Jungfrau. O mein Vater! sagte sie flehend; ich will ja Deinem Befehle gehorchen!

Du liebst Hermannen? fragte der Graf noch einmal, und noch milder, liebevoller.

Das Mädchen wagte, ihre Augen zu ihm zu erheben; sie sah nur Güte und Liebe in seinem Gssichte. Da ging eine hohe, beseligende Freude in ihrem Herzen auf. Ich liebe ihn, Vater! lispelte sie leise; und er auch. Eine selige Stunde raubte uns heute Morgen das Geständniß.

Ich hatte es geahnt! erwiderte der Graf, trat an das Fenster, und rief mit lauter Stimme den Namen Hermann in den Burghof hinunter.

Nach wenigen Sekunden trat der Gerufene herein.

Der Burggraf trat ihm ernst entgegen. Du bist ein braver Bursch, redete er ihn an, und muthig und edel; ich selbst habe Dich zum Ritter geschlagen. Aber hättest Du auch den Muth, meiner einzigen Tochter Gut und Blut zu vertheidigen, und, wenn sie alles

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_199.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)