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wird auch die Eurigen wägen. Aber auch der irdischen Gerechtigkeit könnt Ihr nicht lange mehr entgehen. Ich werde Euer Ankläger!

Er drückte seine Sturmhaube tief in die Augen, die sich wieder zu feuchten begannen, und ritt, von seinen Landsleuten gefolgt, langsam der Wahlstatt zu, wo sein entseelter Sohn lag.

Der Burggraf sah ihm lange mit finsterem Blicke nach. Unglücksrabe! sprach er dann leise, warf einen Blick, wie den des Vorwurfs, zum Himmel empor, und lenkte sein Pferd auf den Weg nach Stromberg zurück. Die Gräfin folgte ihm, noch immer weinend, der Ritter Morian in sich gekehrt. Goswin von Bömmelingen aber summte ein lustiges Lied für sich.




Am dritten Tage nach diesen Vorfällen ging der Burggraf von Stromberg, in Gedanken verloren, in seinem Gemache auf und ab; sein einziges Kind, die Gräfin Sophia, saß an einem Tische vor einem der hohen Bogenfenster, das auf den Burghof führte, und war mit Wirken von Teppichen beschäftigt. Ihr gegenüber saß der Ritter Morian, die Augen zwar starr auf die Arbeit der Gräfin geheftet, aber offenbar zerstreut und an ganz andere Gegenstände denkend. Lange wurde kein Wort gesprochen, denn, obgleich die Gräfin nur an ihre Arbeit zu denken schien, so sah man doch auch ihrem sich plötzlich trübenden, oder aus dem Fenster über die reiche, mannigfaltige Fläche schweifende Blicke an, daß ihre Seele bey etwas Anderm, als blos bey ihrer Arbeit verweile.

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_188.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)