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Im Grunde, sagte er, sind diese Raubritter so gefährlich nicht, als sie wohl aussehen; sie sind doch Menschen, wie wir auch. Und Ihr habt Recht, Freund Zurmühlen, mit unsern vierzig Reisigen dort brauchen wir eine mäßige Bande eben nicht zu fürchten, zumal da solch Gesindel immer ein böses Gewissen, und folglich keinen guten Muth hat.

Ihr sprecht ja wie ein Buch! lachte der junge Zurmühlen. Aber unter Räubern gelten solche schöne Sätze nicht. Ob sie ein Gewissen haben weiß ich nicht; ich glaube sie wissen es selbst nicht. Aber Muth haben sie genug; das weiß ich, weil ich es oft erprobt habe. Ihr solltet einmal Eine Seereise mitmachen, und sehen, wie die schwarzen bärtigen Kerls mit ihren kleinen Nachen sich an die größten Fahrzeuge heranwagen, ihnen in dem Nacken sitzen, und ehe man es sich versieht, ihre Enterhaken herübergeworfen haben, und nun stürmen, stoßen, drängen und schlagen, als wenn sie selbst kein Leben zu verlieren, sondern nur Anderen zu nehmen hätten. Hundertmal bin ich an der friesischen, schwedischen und dänischen Küsten dabey gewesen. Und zu Lande werden sie ihr Handwerk nicht schlechter verstehen.

Den kleinen Rathsherrn hatte dieß Geschwätz schnell wieder ängstlich gemacht. Es ist doch unbegreiflich, sprach er, wie edelgeborne Ritter einem solchen niederträchtigen Gewerbe sich hingeben können. Dieser Burggraf von Stromberg! Sonst ein so edler, braver Herr! Freund unseres Herrn Bischofs! Und nun so ein arger Raubrittter! Eine Qual und eine Schande der Menschheit!

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_167.png&oldid=- (Version vom 23.2.2020)