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er das Bild seinen drey Kindern, und befahl ihnen, es niemals fortzugeben. Seine beyden Söhne wurden geistlich; Einer von ihnen Namens Bertoldus, wurde Mönch im Kloster zu Scheda; der zweyte, Menrickus, ward Canonikus zu Lübeck; seine Tochter aber ward Klosterjungfrau zu Ahlen. Und weil die Letzte mit ganzer Seele an dem Marienbild hing, so ließen die Brüder es ihr, und empfahlen ihr nur an, es recht in Ehren zu halten.

Es war im Jahre 1214, als der Mönch Bertoldus in einer Nacht, von frommen geistlichen Beschäftigungen, in sein Kloster Scheda zurückkehrte. Sein Weg führte ihn über den Berg Hassey oder Haßley, und dort einem großen, breiten Lindenbaum vorbey, unter dem in Vorzeiten die Bewohner der Gegend allerley üppige Tänze und Spiele getrieben hatten. Bertoldus gedachte dessen, als er in die Gegend des Baumes kam, und es that ihm leid in seinem frommen Gemüthe, wie doch so oft, so alle Tage und Stunden, die Menschen dem Bösen, ihren üppigen Lüsten und Begierden, Tempel bauen und Opfer bringen, den ewigen Gott aber vernachläßigen und verhöhnen. Wie er noch daran dachte, sah er auf einmal unter dem Lindenbaume einen hellen Glanz, als wenn es ein Abglanz des Himmels wäre. Er erstaunte darüber und sah lange hin; weil er aber nichts weiter erblickte, so ging er endlich weiter, schwieg aber, und behielt das Gesehene für sich. Einige Zeit nachher aber führte ihn sein Amt wieder desselbigen Weges, und zwar wieder um Nachtzeit; und abermals sah er denselben hellen, klaren Glanz; und bald nachher noch mehrere Male.

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_148.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)