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aber von einer Gegenpartey der Herzog Raginfred zum Nachfolger erwählt, obgleich er schon während seiner Lebzeit angeordnet hatte, daß kein Anderer, als sein Sohn Carl Martell ihm in seiner Macht und in seinen Würden nachfolgen solle. Diesen Carl Martell hatte Pipin, obgleich seine rechte Gemahlin Plecktrudis zu Cöln noch lebte, mit seinem Kebsweibe Alpais gezeugt, mit der er sich bis ans Ende seines Lebens auf einem Schlosse in Frankreich[1] aufhielt; er hatte ihn zu seinem Nachfolger ausersehen, weil er mit richtigem Blicke den künftigen Helden und Regenten in ihm sah. Allein Plecktrudis, die ihrem Sohne Theudobald die Regierung verwahren wollte, hatte sich früh Carl Martells zu bemächtigen gewußt, und hielt ihn jetzt, nachdem Pipin gestorben war, und sie Theudobald als seinen Nachfolger hatte anerkennen lassen, in Cöln gefangen.

Wer ein Auge auf die nachherigen Thaten Carl Martells wirft, in denen der kühnste Heldengeist in klarer Entwickelung steht, der wird leicht die Wuth ermessen, mit der er ein Geschick tragen mußte, das ihn zu der schmachvollsten Unthätigkeit verdammte, während Fremde sich um eine Krone stritten, die nur ihm zugehörte. Denn schon damals war der Major Domus der eigentliche König, und Carls Sohn, Pipin der Kurze, gab später der Sache nur eine, nach damaligen Begriffen, legale Form dadurch, daß er sich vom Päpstlichen Stuhle die Königswürde, als ihm zustehend, zusprechen und sich damit zum Könige salben ließ.

  1. Teschenmacher p. 97. sagt: in ar[.] Jopili[.]
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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_133.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)