Seite:Westphälische Sagen und Geschichten 124.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wenn sie denselben aber nach oben gezogen hat, so sieht sie geschwind in denselben, bald aber gießt sie ihn aus, und läßt ihn von neuem hinunter und zieht ihn wieder herauf. Dieses wiederholt sie dreymal, bis die Glocke auf dem nahen Kirchthurme Mitternacht schlägt; dann geht sie seufzend und händeringend von dem Brunnen weg, wieder hinter der Kirche her, durch das Heekhäuser Feld, bis sie auf der Rheer Heide neben dem Galgen wieder verschwindet. Man erzählt sich, diese Jungfrau sey vor vielen Jahren ein vornehmes Stiftsfräulein in Elsey gewesen. Diese hatten ein Kind bekommen, und dasselbe umgebracht und in den Stiftsbrunnen geworfen; und weil sie so vornehm und reich gewesen, hatte Niemand ihr etwas darum thun mögen. Als sie nun aber zum Sterben, gekommen, da hat der Teufel ihren Leib geholt, und denselben unter dem Galgen oben auf der Rheer Heide verscharret; und ihre Seele kann nicht eher Erlösung finden, als bis sie den Leib ihres todten Kindes wieder hat. Darum muß sie alle Nächte aus ihrem Grabe aufstehen und zu dem Brunnen wandern, und dort den, Leichnam suchen.

(Mündlich.)
Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_124.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)