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Auch in Regensburg blieb der Pater Augustin der fromme, demüthige Mönch. Doch fühlte er sich hier nicht glücklich; das Geräusch und der Glanz des bischöflichen Hofes sagten seinem einfachen Wesen nicht zu, und schon nach einem halben Jahre bat er seinen Freund und Herrn, ihn ziehen zu lassen, tief in die Einsamkeit, um als Einsiedler sein Leben beschließen zu dürfen. Der Bischof erkannte, daß Stille und Abgeschiedenheit seinem Freunde Noth thäten und obgleich ungern, gab er ihm die erbetene Erlaubniß.

Da verließ der fromme Pater Augustinus in seinem grauen Habite und in bloßen Füßen und nur mit einem leinenen Sacke, worin er schwarzes Brod trug, den bischöflichen Palast und die stolze Stadt Regensburg, und ging in den Wald hinein, ganz allein, immer tiefer und tiefer, über Dornen und über Disteln, daß ihm die Füße bluteten und ihn sehr schmerzten, drey lange Tage lang. Am dritten Tage aber kam er des Abends an einen großen Fluß, der der Egerfluß war; in diesen ergoß sich ein klares, freundliches Bächlein; und dem Bächlein hinauf folgte der Pater, bis wo er an eine dichte, düstere Stelle des Waldes kam. Hier blieb er, und bauete sich aus Zweigen eine Einsiedeley, und wohnte darin, und lebte einfach vom klaren Wasser des Bächleins, und von den Wurzeln und Beeren des Waldes, und diente seinem Herrn und betete zu ihm vom frühen Morgen bis in die späte Mitternacht. –

Und als er nun so wohl zwey Jahre lang in Einsamkeit, Entsagung stillem Gebete hingebracht hatte, da kam eines Tages ein Ritter, der nur von einem einzigen Knappen gefolgt war, langsam durch den

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 096. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_096.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)