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Der Mönch ließ ihn schweigend ein, und führte ihn durch lange, dunkle Gänge zu der Zelle des Abtes.

Wer seyd Ihr? fragte ihn dieser, ein hoher, ehrwürdiger Greis.

Ein Unglücklicher! erwiderte der Unbekannte, der Reue fühlt über sein vergangenes Leben, und der um Aufnahme in diese Mauer bittet, um unter dem Beystande und den Gebeten frommer Männer Buße thun, und den Segen des Himmels wieder erflehen zu können!

Das Auge des Greises verweilte lange auf der gebeugten, aber dennoch edlen Gestalt. Und Euer Name? fragte er.

Ich habe ihn vergessen! antwortete der Unbekannte.

Meine Lippen können ihn nicht mehr aussprechen! Möge auch die Welt ihn vergessen! Möge kein Mund ihn mehr nennen!

Der Abt sah ihn schärfer an. Junger Mann! sprach er strenge, Ihr seyd ein Verbrecher!

Ja! erwiederte jener; aber ein Reuiger!

Eine Weile bedachte sich der Abt. Ein Sünder, der Buße thut, sagte er dann, ist dem Himmel willkommen! Seyd es auch uns schwachen Menschen. Augustinus sey Euer Name fortan unter uns. Auch dieser heilige Kirchenvater war in seiner Jugend ein großer Sünder und Ketzer, und seine fromme Mutter weinte sich fast blind um ihn. Aber ein heiliger Bischof sagte zu ihr: Es ist unmöglich, daß ein Sohn so vieler Zähren verderbe! Und der Sünder und Ketzer ging in sich und that Buße, und wurde das glänzendste Licht des Glaubens und der Kirche. – Gehe auch Du

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 094. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_094.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)