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Die treuen Diener jammerten laut; aber sie versuchten doch, ob nicht das Leben zurückzurufen sey. Sie entkleideten ihn von der schweren Rüstung, seine Gewänder schnitten sie entzwey; dann wuschen sie ihn mit Wasser aus einer nahen Ouelle, und rieben ihm Schläfe und Stirn und Brust mit Wein, den sie bey sich hatten. Aber es war vergebens; laut klagend hoben sie ihn auf, und wollten ihn auf sein Pferd laden, und den theueren Leichnam nach Volmestein zurückbringen. Da hörten sie tief und langsam einen Seufzer aus der erstorbenen Brust sich empor winden, und bald darauf schlug der Todtgeglaubte die Augen auf. Er lebte noch; aber es war fast nur eine Ahnung von Leben mehr in ihm; ohnmächtig schloß er nach einer Sekunde die Augen wieder, und lag wieder ohne Zeichen des Lebens. Doch in die Knechte war neuer Muth gekommen. Sie rieben ihn noch einmal, sie tröpfelten Wein auf seine trockne Zunge, und noch einmal hatten sie das Glück, ihn athmen zu hören und ihn die Augen aufschlagen zu sehen. Und dießmal länger und mit Bewußtseyn, denn der Ausdruck seines Blickes sagte ihnen, daß er sie kenne. Sprechen konnte er nicht; sie machten auch keine Versuche, ihn dazu zu bewegen. Sie flochten eine Tragbahre von Zweigen, und legten ihn sanft darauf, um ihn so langsam und leise, nach Volmestein zu tragen. Allein der Wiederauflebende winkte ihnen verneinend und unwillig. Nicht dahin! rief er leise, mit höchster Anstrengung, und zeigte nach der Gegend des Klosters Herdecke hin. Gehorsam trugen ihn die Diener dahin. Sie gingen mit ihm an die Pforte des Klosters und baten um Aufnahme ihres verwundeten Ritters. Gern wurde ihnen

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 085. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_085.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)