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Gervin faßte sanft seine Hände. Du bist gut, Knabe! erwiderte er ihm liebevoll, und mit einem tiefen Seufzer setzte er hinzu: Retten wird mich wohl Niemand können! So lange ich dieses Herz trage, so lange werde ich auch sein Leid tragen müssen.

Nein Herr! rief der Knappe, plötzlich entschlossen aufspringend, das sollt Ihr nicht. Es gibt ein Mittel, das Euch retten, Euch von Eurem Schmerze befreyen kann. Aber – setzte er kleinlauter hinzu, es ist ein gewaltsames. Ihr müßt Euch fassen können, sonst tödtet es Euch.

Julius! rief der Ritter, verwundert über diese Rede des Knaben, wie über dessen ganzes sonderbare Wesen. Du wüßtest ein Mittel gegen meinen Schmerz! Kennst Du ihn denn?

Ich kenne ihn! rief der Knabe wieder entschlossen, und feurig. Ich kenne ihn, Herr! und will Euch heilen! Ihr liebt die Markgräfin von Vohburg! Ich ahne es lange. Darum Eure schnelle Abreise aus Franken! Darum Euer Vergraben in diese Einsamkeit! Darum das Verwelken Euer Gestalt, das Erlöschen Eures Auges, Euer Gram, Euer Abzehren! O, wohl ahne ich es. Aber Gewißheit sollte ich erst jetzt erhalten, und sie zerriß meine Brust.

Er schwieg hier fast erschöpft, als wenn die hohe Leidenschaftlichkeit, mit der er die Worte gesprochen, oder eine gewaltige, innerliche, verborgene Gluth schnell seine jugendlichen Kräfte verzehrt hätte. Was ist Dir, Knabe? fragte der Herr von Volmestein, und sah ihn einen Augenblick verwundert an; aber der eigne Zustand wurde bald wieder Herr über ihn. Ja, Julius! erwiderte er mit schmerzlicher Stimme. Ich liebe sie,

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 077. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_077.png&oldid=- (Version vom 29.12.2019)