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Fegefeuer des westphälischen Adels und mitten unter ihrer und ihrer Knechte und Bedienten abgeschiedenen Seelen befinde. Denn manchen Cavalier fand er hier wieder, der längst gestorben war, und den er im Leben recht gut gekannt hatte; und manchen Knappen, mit dem er in der Oberwelt manches Glas Bier ausgeleert hatte. Ja, zu seinem Erschrecken, und doch zu einiger Schadenfreude bemerkte er sogar einen Kriegsknecht des Grafen von Westphalen, der im Leben sein Nebenbuhler bei Elsabein gewesen war. Der Mann stand hinter dem Stuhle seines Herrn und wartete diesem auf, schien aber den Schneider nicht zu bemerken oder nicht zu kennen.

Diese Entdeckung reizte seine Neugierde noch mehr, und kühner warf er forschende Blicke in dem weiten Gewölbe umher. Da sah er denn mit Einem Male die Lebensart, das ganze bunte Treiben in diesem westphälischen Adelsfegefeuer. Hier saß ein Haufen, der sich an einer vollen, reichbesetzten Tafel gütlich that, und dabey sang und jauchzte; Andere saßen zechend und jubelnd hinter großen, vollen Humpen; noch Andere spielten mit Würfeln oder Karten; wieder Andere unterhielten sich von ihren Kriegsthaten und sonstigen Abentheuern. Alle waren sehr froh und lustig, aber doch bemerkte der Schneider, daß ihre Lustigkeit nicht recht von Herzen gehen müsse; denn die Essenden verzogen ununterbrochen den Mund, so wie sie etwas hineinsteckten, bald nach der rechten bald nach der linken Seite; den Trinkern sogar, wenn sie die Humpen an die Lippen setzten, fuhr eine schwefelichte Flamme hinein, so daß sie nur diese, und nicht Wein oder Bier zu trinken schienen, eben so rieben die Spieler sich gewaltig

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 054. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_054.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)