Seite:Westphälische Sagen und Geschichten 035.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Daher kam es, daß es dem armen Hick recht herzlich sauer wurde, sich und seine fünf kleinen Kinder durchzubringen, ja, ihnen nur das Leben zu fristen[WS 1]. Seine Frau war schon vor ein paar Jahren im Kindbette gestorben. Bittere Noth war in dem Häuschen Hicks, und wohl keine Woche ging vorbey, wo der arme Tagelöhner mit seinen Kindern sich nicht hungrig zu Bette legte. Er hatte zwar mit seiner gewohnten Listigkeit eine ganz absonderliche Speiseordnung in seiner kleinen Familie eingeführt; des Morgens nemlich vertheilte er unter seinen fünf Kindern ein Stück Brodt, das bald groß, bald klein war, und dabey ließ er sie nach Herzenslust aus dem klaren Quell trinken, der neben dem Hüttchen entsprang. Des Mittags kochte er ein Suppchen von der Milch, die ihm seine Kuh gegeben hatte; weil das aber für Alle nicht ausreichte, so hatte er die Einrichtung getroffen, daß jedesmal nur Ein Theil der Kinder Milchsuppe bekam, und die übrigen schwarzes trocknes Brodt und dabey wieder frisches, klares Wasser; und hiemit ließ er sie alle Tage wechseln; wer aber Milchsuppe bekam, der erhielt kein Brodt, und wer Brodt bekam, keine Milchsuppe. Er selbst aß blos trockenes Brodt, und trank Wasser dazu. Kartoffeln kannte man damals noch nicht. Des Abends gab es wieder trocknes Brodt, wann er etwas hatte.

Trotz dieser weisen Einrichtung konnte Hick es aber nicht verhindern, dass manchen Abend sowohl er, als seine Kinderchen mit bitterem Hunger zu Bette gehen mußten; oder wohl nicht zu Bette, denn ein Bette hatte Hick nicht, sondern auf ihr Lager von Moos und Laub, das Hick zurecht gemacht hatte, so gut es angehen wollte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. in der Vorlage: 'fristeu'
Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1931, Seite 035. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_035.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)