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Da geschah plötzlich ein furchtbarer Donnerschlag am Himmel, daß das Gemach erbebte und die Burg, und der Berg auf dem sie stand; und in demselben Augenblicke verschwand das Licht der Sonne, und der Himmel verfinsterte sich, daß Finsterniß des Grabes in dem Gemache herrschte.

Herr, du bist gnädig! rief das Mädchen frohlockend. Der Jüngling aber starrte entsetzt in die plötzliche Nacht hinaus, und ließ seine Beute fahren. Aber nur einen Augenblick lang; schnell erwachte seine Leidenschaft wieder, und von neuem und heftiger umschlang er das Mädchen.

Da fiel ein zweiter, furchtbarer Schlag vom Himmel, und zischende Blitze fuhren kräuselnd im Gemache umher, und die ganze Burg erzitterte wieder, wie in ihren Grundmauern erschüttert. Doch den Wüthenden schreckte das nicht. Ich fürchte deinen Gekreuzigten nicht! rief er, meine Götter sind mächtiger. Er umschlang sie heftiger, glühender. Herr! Herr! Sey mir gnädig! rief in Todesangst das Mädchen.

Da fiel ein dritter Schlag vom Himmel, gewaltig, als wenn er die Erde zernichten wolle, und heftiger zitterte das Gemach, und die Burg wankte, und die Erde öffnete einen weiten, bodenlosen Abgrund, und die Burg sank hinein mit Spitzen und Thürmen, mit Menschen und mit Vieh: und an der Stelle, wo sie gestanden hatte, war ein trüber, schwefelichter Pfuhl, derselbe, der noch jetzt der Krähenpfuhl heißt.

Dieses geschah aber in der Mittagsstunde des neun und zwanzigsten Tages im Monat Julius und im Jahre des Herrn achthundert.


Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 031. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_031.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)