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einmal mit bittender Stimme, aber indem seine Augen sich plötzlich mit dunkler Gluth auf sie hefteten.

Das Mädchen wurde ängstlicher. O ewiger Gott! rief sie, wende sein Herz zum Guten, zur Milde! – Hermann, wandte sie sich an den Jüngling; sey edel, verdirb ein armes, unglückliches Mädchen nicht.

Sie weinte große Thränen; aber auf den Jüngling, in dem die Verblendung und das Verlangen der Leidenschaft mit immer furchtbarerer Gewalt Herrschaft gewann, machten sie keinen Eindruck mehr. Sein Gesicht glühete, seine Augen brannten, die heftige Bewegung seines Körpers verrieth das Stürmen seines kochenden Blutes. Ein gewaltsamer Entschluß schien mit jeder Sekunde sich mehr in seiner Seele auszubilden. Christina sah sein Kämpfen; aber die Gluth seiner Blicke ließ sie nicht zweifelhaft, daß die Leidenschaft den Sieg davon tragen werde. In unnennbarer Angst schritt sie in dem Gemache auf und ab. Wie sollte, wie konnte sie sich retten? Kein Mittel bot sich ihr dar. Sie eilte nach dem hohen Fenster, es führte auf den mit spitzen Steinen gepflasterten Burghof, ein kühner Sturz hinunter konnte ihrem Leben ein Ende machen, aber auch ihrer Angst, ihren Leiden. Allein ein starkes eisernes Gitter verwehrte ihr auch dies letzte Rettungsmittel. Sie rüttelte vergebens an den eisernen Stäben, und sah mit Sehnsucht auf den Burghof hinunter. Nur neue Leiden sollten ihr werden, denn unten sah sie auf einmal ihren treuen Lehrer und Hirten, den Mönch Johannes Baptista, wie er von den hartherzigen Heiden verhöhnt wurde.

Der edle Greis war ihr gefolgt, um, seines eigenen Lebens nicht achtend, noch einen Versuch zu machen,

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 028. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_028.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)