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und heftig, sein Herz klopfte hörbar, seine Brust flog auf und nieder, Ungewiß sah er das Mädchen an seiner Seite an und wußte nicht, ob er die Arme nach ihr ausstrecken und sie an sein Herz ziehen, oder ob er mit süßen Worten ihr zureden sollte.

Aengstlich lag das Mädchen neben ihm; auch ihr Busen wogte heftig auf und nieder, und ihre Wangen wurden bald bleich, bald roth; auch sie wagte nicht sich zu bewegen, und wußte nicht ob sie sprechen solle oder nicht. Doch auf einmal trat hoher Muth in ihre Züge, sie stand auf und stellte sich vor den Jüngling, und sah ihn fest an mit ihren schönen, in diesem Augenblicke von einer unendlichen Klarheit strahlenden Augen. Hermann, sprach sie dann, du hast so oft mir unbegränzte Liebe geschworen; wenn du sie noch jetzt in deinem Herzen für mich fühlst –

Der Jüngling hatte ihrem festen klaren Blicke nicht begegnen können, unwillkührlich hatte er die Augen niederschlagen müssen. Aber jetzt erhoben sie sich schnell wieder, und hefteten sich mit unbeschreiblicher Gluth auf das Mädchen. Bei den ewigen Göttern! rief er, ich liebe dich noch Christine. Ich habe dich nie mit dieser verzehrenden Gluth geliebt wie jetzt; das ist ja auch mein Tod! Denn ich muß mich still aufzehren in meiner Liebe, da du keine Erhörung schenken willst.

Christine seufzte tief auf. Kann ich Hermann? fragte sie; kann ich meinen ewigen Gott verlassen?

Das sollst du nicht, fiel schnell der Jüngling ein. Mein Vater liebt mich. Sey mein, und er wird dir deinen Gott nicht nehmen. Aber laß mir auch meine Götter! O Christina, erhöre mich; liebe mich wieder! So oft hab’ ich auf meinen Knieen darum geflehet.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 025. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_025.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)