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Er ergriff seine Streitaxt, die neben ihm an der Felsenwand stand, und schwang sie hoch über seinem Haupte. Seine Tochter war aufgesprungen, ängstlich warf sie sich ihm in den Arm. Um Gotteswillen, Vater! flehete sie! sey ruhig, denke an keine Gegenwehr, du vernichtest dich und uns!

Aber es war, als wenn der Schmerz des Vaters sich plötzlich in eine wilde, zügellose Wuth umgewandelt hätte. Er schwang die Streitaxt höher, stieß das Mädchen von sich, und rief mit lauter[WS 1], fast jauchzender Stimme: Laß sie kommen, die Henker! Sie sollen fühlen, daß ich noch einen Arm habe, wenn ich auch ein Christ geworden bin.

Noch einmal flehete das Mädchen: Sey ruhig, Vater! Gehe in den Hintergrund der Höhle: Vielleicht finden sie den Eingang nicht. Und wenn sie ihn finden, dann laß mich mit ihnen sprechen; ich rette euch; schon einmal hat der Herr meinen Worten die Kraft verliehen.

Aber Hildebrand hörte sie nicht. Wüthender schwang er seine Waffe und eilte an den Eingang der Höhle, in welche in demselben Augenblicke Wolff Lutz mit seinen Gesellen eindrang. Blutgier, Mordlust leuchtete aus den Gesichtern der Räuber. Hier ist das Nest! rief Lutz laut, frisch drauf, Gefährten; nur der Dirne schont.

Mit wildem Jauchzen stürmte er voran. Da führte Hildebrand einen gewaltigen Streich nach ihm; aber er schlug fehl, denn der gewandte Räuber war rasch auf die Seite gesprungen, und führte fast in dem nemlichen Augenblicke mit seinem großen Schlachtschwerte

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: laueer
Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 020. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_020.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)