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sie schon dem härtesten Schicksale entgegen, der Verfolgung und Furcht, der Entbehrung und Noth.

Mönch, unterbrach ihn Hildebrand bitter, gehe ich denn einen andern Weg? Gehe ich weniger dem Elende und der Noth entgegen? Habe ich Eine Stunde, in der ich mein Haupt mit Ruhe niederlegen kann? Muß ich nicht immer das Schwert des unmenschlichen Christenhenkers in meinem Nacken fürchten? Und ich soll zu einem Gotte beten können, der das über mich verhängt?

O mein Bruder! erwiederte der Mönch, der Herr läßt keinen zu Schanden werden, der auf ihn vertraut. Aber du vertraust nicht auf ihn. Komm, sammle dein Gemüth; tritt mit mir zu der Leiche der Entschlafenen, die mit so stiller Ergebung litt. Laß uns beten, daß auch wir einst so sanft und schön sterben mögen, wie sie.

Er faßte mit der Einen Hand Christinens und mit der andern Hildebrands Hand, und führte Beide zu dem Lager, auf dem der Körper der Geschiedenen noch lag. Hier warf er sich nieder und betete still; Christina folgte mit stillen Thränen seinem Beispiele; allein Hildebrand war nicht vermögend zu beten; nur Schmerz wohnte in seiner Seele, und von neuem fing er an zu jammern und zu toben.

Da wurde aus einmal verworrenes Getöse in der Schlucht vor der Höhle laut, das bald und schnell näher kam, und in dem man nur Geräusch von Waffen und drohende Stimmen unterschied.

Der Henker kommt! rief Hildebrand mit einer Art wilder Freude. Jetzt wird unserer Noth ein Ende werden! Aber theuer will ich mein Leben verkaufen.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 019. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_019.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)