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Vezweiflungsvoll rang er die Hände, und verwünschte sein Daseyn, und grollte gegen eine Weltordnung, die solches Leid auf ein unschuldiges Haupt herniederschleudern könne. Seine Tochter versuchte ihn zu trösten, sie umfing ihn mit beiden Armen und legte ihr sanftes Gesicht an seine bleichen Wangen, indem sie bittend in seine Augen sah. Allein er stieß sie von sich, um ungestört seinem wilden Schmerze sich hingeben zu können.

Da erhob sich der Mönch von seinem Gebete. Hildebrand, sprach er strenge zu dem Verzweifelnden; ich hielt dich für mehr als du mir jetzt erscheinst, ich hielt dich für einen Christen, aber unsere göttliche Religion wohnt in deinem Herzen noch nicht. Der Christ verzweifelt nicht, der Christ empört sich nicht gegen seinen Gott und dessen Anordnungen. Der Christ leidet und duldet wie sein Erlöser, still und groß, denn er hat auch in seinen schwersten Leiden die Bürgschaft einer unendlich weisen und gnädigen Vorsehung. Aber der Heide wüthet und flucht gegen ein Schicksal, das er ein blindes nennt.

Aber er sprach vergeblich, seine Worte waren nicht im Stande, den Schmerz des Unglücklichen zu mildern. Doch noch einmal erhob er seine Stimme. Sieh deine Tochter an! sprach er, sie hat so viel verloren wie du, und sie ist ein schwaches gebrechliches Weib, allein sie trägt den Schmerz, wie man ihn tragen muß, weil der Glaube ihr tragen hilft. Sie murrt nicht gegen die Vorsehung, obgleich ihr Pfad dunkler und angstvoller ist, als der deinige; kaum achtzehn Jahre alt, kaum aus den Jahren der Kindheit herausgetreten, geht

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 018. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_018.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)