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vielleicht hat irgend eine Erdrevolution Felsstücke davorgeworfen; in der Zeit aber, als Wolff Lutz auf der rothen Burg hausete, war der Eingang, obgleich verborgen, noch da. In dieser Höhle hatte die bereits erwähnte christliche Familie, da die Krankheit der Mutter eine Entfernung aus der Gegend nicht zuließ, einen Zufluchtsort gegen die Verfolgungen Lutzens gefunden. Freilich einen unsichern, wie ihnen der unvermuthete Ueberfall Lutzens und dessen Sohnes bewieß; jedoch konnten sie auch nach diesem nicht weiter flüchten. Die Leiden der kranken Frau nahmen immer mehr zu, so daß der Mann und die Tochter fast jeden Tag ihre Auflösung erwarten mußten, und jede Bewegung ihr plötzlicher Tod gewesen seyn würde. Sie blieben daher.

Endlich schied die Seele der Kranken, um zu einem Leben einzugehen, in dem keine Furcht und keine Verfolgung über sie kommen sollten. Tief traurend standen die Hinterbliebenen an ihrem Todesbette und weinten heiße Thränen auf die kalten Hände, während der alte Geistliche still neben der Leiche knieete und betete. Die Tochter Christina, war zwar bald gefaßt, ihr gläubiges Gemüth, in dem Religion und Unschuld eine reine schöne Harmonie erhielten, fand sich in einen Verlust, der sie zwar sehr schmerzlich traf, dessen Herbe jedoch durch die Zuversicht gelindert wurde, drüben werde sie die Verlorne zu ewiger Vereinigung wiedersehen. Desto unbändiger war dagegen der Schmerz ihres Vaters. So viele Jahre hatte er in Glück und ungetrübter Freude gelebt, und so schnell, in so kurzer Zeit hatte er jetzt alles verloren, Ruhe, Sicherheit und Vermögen, ihn mußte dieser letzte harte Schlag ganz darniederwerfen.

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 017. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_017.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)