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schlachtete, um die Götter sich zu verpflichten, und des Sohnes Leben von ihnen zu erhalten. Allein der Knabe welkte immer mehr dem Grabe entgegen.

Es war ein warmer, schöner Sommertag im Jahre achthundert der Erlösung, als der Räuber Lutz mit seinen Gesellen von einem Zuge zurückkehrte, den er weit in die Gegend hinein, bis fast an den Rheinstrom, gegen die Christen unternommen hatte. Eine ungeheure Menge Unschuldiger waren von den Unmenschen den heidnischen Göttern geopfert worden; reich mit Beute beladen kehrten sie auf die rothe Burg heim. Sie kamen mit dem letzten Strahle der Abendsonne hier an, durch jauchzendes[WS 1] Geheul den daheimgebliebenen Räubern ihre Rückkehr ankündigend. Am fröhlichsten war Wolff Lutz selbst. Die Götter müssen mir gnädig seyn! rief er; haben sie noch einen Diener wie mich?

Da sah er seinen kranken Sohn, der langsam auf dem Burghofe ihm entgegenschlich, mit glanzlosen Augen, bleichen Wangen, fast mehr wie ein dem Grabe Angehörender, als wie ein Lebender aussehend; und schnell entschwand die Freude des Räubers. Furchtbare Götter! rief er aus; Was habe ich verbrochen, daß Ihr mich also straft? daß Ihr mir alles nehmt?

Er überließ die Beute den Knechten und ging still, mit tiefem finstern Sinnen in die Burg und in sein Gemach. Lange saß er hier einsam, in trüben Gedanken verloren. Als er aber den Mond hoch am Himmelsgewölbe stehen sah, sprang er plötzlich auf, verließ das Gemach und die Burg, und schritt schweigend und langsam den Berg hinunter, in die mondhelle Nacht hinein. Er schlug sich links in den Eichenwald, ging dann nach Westen hin, immer den Abhang des Berges

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: jauchendes
Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 011. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_011.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)