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Da wendete sich das Mädchen vor dem Altare um und schaute mit durchdringendem aber dankendem Blicke den Jüngling an, der die menschlichen Worte gesprochen hatte. Der Himmel segne dich! rief sie mit sanfter, weicher Stimme.

Ein unnennbares Sehnen, eine unerklärliche Verwirrung erfaßte den Jüngling. Komm, Vater! rief er dringender; die Götter sagen es mir, daß sie den Tod dieser nicht wollen!

Er faßte die Hände des Vaters, der ebenfalls in wunderbarer Verwirrung zu seyn schien, und zog ihn fast ohne Widerstand aus der Höhle.

Die Unglücklichen gehörten zu den edelsten Bewohnern der Gegend; sie hatten flüchten wollen, als Lutz seine Christenverfolgungen begann, aber die Krankheit der Frau, die langsam dem Tode entgegenzehrte, hatte sie verhindert eine weite Reise zu machen; Gatte und Tochter sahen sich daher gezwungen, in der Nähe ein verborgenes Unterkommen für sich und die Kranke zu suchen. Der fromme Mönch des Thales, Johannes Baptista mit Namen, hatte sich an sie angeschlossen, und wollte sein Schicksal nicht von dem ihrigen trennen. In dieser Höhle hatten sie einen sichern Zufluchtsort zu finden geglaubt.

Schweigend kehrten Wolff und Hermann Lutz zu der Burg zurück. Erst hier kam ein anderer Geist wieder über den Vater; er machte sich Vorwürfe, daß er die Christen verschont habe, er wollte umkehren, um sie desto fürchterlicher zu opfern; allein in dem Jünglinge war der Geist der Milde geblieben, und glücklich gelang es ihm, auch den Vater zu besänftigen.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 009. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_009.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)