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Sohne, getrennt von den übrigen Gefährten, durch die Berge seiner Burg zueilte, nicht gar weit von dieser, in einer engen, verborgenen Schlucht, auf eine Höhle, deren Eingang kaum bemerkbar war. Aber Lutzens scharfes Auge gewahrte sie, und glänzte in der Freude eines Jägers, der auf unverhoffte Beute stößt. Schnell eilte er mit seinem Sohne darauf zu, und seine Hoffnung hatte ihn nicht betrogen. Es waren Menschen in der Höhle. Ein greiser Mönch, ein ältlicher Mann und ein blühendes junges Mädchen knieten vor einem Lager von Fellen, auf dem eine blasse, kranke Frau, mit gefalteten Händen und schon halb erloschenen Augen lag. Alle schienen in stiller Andacht zu beten. Entsetzt flogen sie in die Höhe, als die Heiden, die ihnen nur allzubekannt seyn mochten, mit lauter Freude in die Höhle stürzten, und liefen zu einem Cruzifixe, das auf einem Altare in der Ecke der Höhle stand, und vor dem eine sparsame Lampe brannte. Nur die Kranke fiel ohnmächtig auf das Lager zurück. Frohlockend verfolgte Lutz und sein Sohn die Fliehenden, mit gezückten Schwertern wollten sie über die Unglücklichen herfallen und sie schlachten zum Opfer für ihre Götter, zur Sühne ihrer Rache. Aber eine wunderbare Gewalt schien plötzlich ihre Kräfte gelähmt zu haben, als sie in die Nähe des Altars kamen. Schweigend und starr blieben sie hier stehen, und sahen die Betenden an, die händeringend zu dem Cruzifixe emporfleheten.

Vater! sprach plötzlich der Jüngling Hermann, Schone ihrer, die Götter haben der Opfer und wir der Rache genug. Laß uns den Unglücklichen das Leben schenken.

Empfohlene Zitierweise:
H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 008. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_008.png&oldid=- (Version vom 9.9.2019)