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frechste Räuber, der blutgierigste Christenverfolger, den Westphalen je gesehen hatte. Er war früher ein Gefährte des Sachsenkönigs Wittekind, und einer der tapfersten Hauptleute in dessen Heere gewesen. Lange hatte er treu an ihm gehalten und war mit ihm von einem Ende des Sachsenlandes zum andern gezogen, um dessen zahlreiche Feinde vertilgen zu helfen, und die alte, angestammte Religion der vaterländischen Götter gegen die Franken und deren fremde, christliche Religion zu vertheidigen. Noth und Verfolgung und Leiden hatte er mit ihm getheilt, immer hoffend, daß die Götter, zu deren Ruhm sie kämpften, ihre Niederlagen in Sieg, ihre Leiden in Triumpf endlich verwandeln würden. Allein die Uebermacht des Kaisers Karl war zu groß. Von Jahr zu Jahr, von Tage zu Tage endlich, schmolzen die Haufen der Sachsen, der Vertheidiger des Heerdes und der alten Götter, mehr und mehr zusammen, durch offene Feldschlachten, wie durch furchtbare, grausame Hinrichtungen. Immer siegreicher drangen die Schaaren der Franken in dem schönen Sachsenlande weiter vor; immer mehr breitete ihre fremde, gewaltsam aufgedrungene Religion sich aus; täglich kleiner wurde der Raum, in welchem noch Verehrung der deutschen Götter anzutreffen war; täglich seltener und unsicherer wurden die Schlupfwinkel, in denen Wittekind mit seinen Getreuen gegen die Uebermacht seiner furchtbaren Feinde sich noch verbergen konnte. Endlich war dem Edlen jeder Weg, jede Aussicht auf Sieg oder Rettung abgeschnitten. Er konnte nicht mehr widerstehen, er war verloren. Aber jener höchste, jener einzige Gott, den er solange verkannt und verhöhnt hatte, wollte ihn nicht verderben

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H. Stahl alias Jodocus Temme: Westphälische Sagen und Geschichten. Büschler'sche Verlagsbuchhandlung, Elberfeld 1831, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Westph%C3%A4lische_Sagen_und_Geschichten_002.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)