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wir außer der gleichförmigen Fortbewegung auch eine gleichförmige Drehung, wie beispielsweise die Erde, mit vielen anderen Himmelskörpern, sie hat. Die neue Relativitätslehre nimmt auch diese auf. Sie gelangt dann zur allgemeinen Schwerkraft in ihrem Raumzeitgebiet.

Wenn nämlich ein Körper sich dreht, tritt die Fliehkraft in Erscheinung, die jeder kennt, und die in der Technik eine so große, mitunter so verhängnisvolle Rolle spielt. Diese Fliehkraft besteht auch für die Erde. Es hat aber der ungarische Physiker v. Eötvös nachgewiesen, daß sie sich in keiner Weise von der Schwerkraft trennen läßt; was diese bestimmt, ist in gleichem Betrage für jene maßgebend. Also kann man die Erscheinung bei einer gleichförmigen Drehung auch als Schwerkraft denken. Zieht man nun diese Drehung in die Lehre ein, so hat man auch die allgemeine Schwerkraft und mit ihr auch die gleichförmig beschleunigte Bewegung, wie sie ein frei fallender Körper zeigt, einbezogen. Das aber bewirkt, das nunmehr das Raumzeitgebiet in ganz besonderer Weise aufzufassen ist. Und es trifft diese Auffassung in der Anlage zusammen mit einer Auffassung, die schon vor längerer Zeit der merkwürdige Mathematiker Riemann und später Helmholtz eingehender Untersuchung unterworfen haben. Darüber, wie also nunmehr Raum und Zeit ausschauen, vielleicht bei anderer Gelegenheit. Alle Naturgesetze nun sollen in diesem neuen Raumzeitgebiet, in dem überall die allgemeine Schwerkraft wirkt und dessen Eigenart durch diese Schwerkraft bestimmt ist, eine Form haben und diese Form beibehalten, wie man auch die Körper, auf denen und von denen aus sie untersucht werden, gleichförmig fortbewegen und gleichförmig drehen mag. Bedingung ist nur noch, daß das nämliche auch für die Größe von Strecken und Inhalten unter gleichen Umständen gilt, was jedem wie selbstverständlich erscheinen wird, da er es von unserem Raume gar nicht anders kennt. Das Gesetz der Schwerkraft hat nun ebenfalls überall in diesem Raumzeitgebiet jene Form, und mit Hilfe der angeführten Untersuchungen von Riemann und Helmholtz konnte dann Einstein für dieses Gesetz einen neuen Ausdruck in diesem Gebiete finden, der also an Stelle des Ausdrucks in unserem Raum, des sogenannten Newtonschen Gravitationsgesetzes, zu treten hat. Es blieb dann nur noch übrig, die Planeten selbst für das neue Raumzeitgebiet entsprechend dem neuen Anziehungsgesetz aufzustellen.

Jede gleichförmige Bewegung geschieht ohne Kräfte. Also war nur der Uebergang zu bewirken von der Bewegung in einem Schwerelosen Raumzeitgebiet zu der in einem Schwereerfüllten, denn nach der Lehre soll ja das Ausgangsgesetz für die Bewegung in beiden Fällen die gleiche Form haben. Nun besagt dieses Gesetz im Schwerelosen Gebiet nichts weiter, als das ein Körper, sich selbst überlassen, von einer Stelle zu einer zweiten auf dem kürzesten Wege (in unserem Raume die gerade Linie) gelangt. Das bleibt also auch im neuen, Schwereerfüllten Gebiete bestehen, auch in ihm bewegt sich ein Körper, z. B. ein Planet um die Sonne, von Stelle zu Stelle auf dem dort kürzesten Wege. Daher bedarf es nur noch eines Ausdruckes für Wege, Strecken, im neuen Schwereerfüllten Raumzeitgebiet überhaupt. Dieser Ausdruck ist mathematisch von Riemann und Helmholtz gegeben worden. Die Deutung der in ihm enthaltenen Bestimmungsstücke aus der Schwerkraft ist Einsteins Eigen. Und nun ist alles nur noch Rechnungssache. Es ist eine neue Astronomie im neuen Raumzeitgebiet mit dem neuen Anziehungsgesetz. Und diese neue Astronomie hat also schon so Bedeutendes geleistet. Es wird aber dem Leser sofort eine wichtige Frage sich aufdrängen:

Empfohlene Zitierweise:
Max Bernhard Weinstein: Eine deutsche wissenschaftliche Großtat während des Krieges. Berliner Tageblatt (in Beilage "Der Zeitgeist" vom 28. Februar 1916), Berlin 1916, Seite 1 (Spalte 3). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weinstein_-_Wissenschaftliche_Gro%C3%9Ftat.djvu/3&oldid=- (Version vom 2.10.2024)