Seite:Weiberhass und Weiberverachtung.djvu/74

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Feministinnen meinen), einfach als eine soziale Pflicht zum Wohle der Rasse zu betrachten ist, deren Erfüllung aber nicht mehr Zeit beansprucht als etwa das Militärjahr des Mannes, welches doch noch nie als Grund für die Unfähigkeit, einen Beruf auszuüben, angeführt wurde.

In der Tat, selbst wenn wir annehmen, daß die Mutterwerdung der Frau zwei Monate Urlaub beansprucht, einen vor, einen nach der Entbindung, mehr bedarf es bei vernünftiger Lebensweise ganz gewiß nicht, so müßte die sehr stattliche Ziffer sechsmaligen Kindersegens angenommen werden, um dem Militärjahr gleichzukommen. Was endlich die verflixten drei Tage im Monat betrifft, so verursachen sie vielen Frauen überhaupt kein wesentliches Unbehagen und bedürften daher kaum besonderer Berücksichtigung; angenommen aber selbst, es würde einer derartigen Indisposition Rechnung getragen, so könnte und dürfte dies einen wohlgeordneten Betrieb so wenig aus dem Geleise bringen, als etwa die Waffenübungen, die gleich auf Wochen hinaus den jungen Mann abberufen.

Der dritte Grund, warum eine Wertung von vorneherein auf falschem Boden steht, die davon ausgeht, ob der Mann oder das Weib »geistig höherstehend« oder für diesen oder jenen Beruf »begabter« sei, liegt in der einfachen Tatsache, daß solche Vergleiche, die gewiß von Individuum zu Individuum jedesmal andere Resultate ergeben, überhaupt nicht geeignet sind, den Wert einer Persönlichkeit oder gar einer Gattung zu bestimmen. Ob eine Frau als Bahninspektor, Zahnärztin, Agentin, Telephonistin, Mathematikerin oder Malerin tüchtiger oder untüchtiger ist als ein männlicher Kollege, ist höchst gleichgültig für ihren Wert. Es kann höchstens ihren (eng an ihre Person geknüpften) Wert als Malerin, Zahnärztin etc. bestimmen und wird sie allein die Konsequenzen ihrer eventuellen Untüchtigkeit wirtschaftlich zu tragen haben, kommt aber bei der Bewertung des ganzen

Empfohlene Zitierweise:
Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)