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so ist es doch wohl mehr als begreiflich, wenn man auch an dieses Tatsächliche, was da vorgebracht wird – als Beleg der Verachtung alles Weiblichen – kritisch herantritt. Steht natürlich jemand grundsätzlich auf anderem Boden und verschließt sich grundsätzlich dieser Argumentation, so wird ihn auch berghoch aufgehäuftes Material nicht überzeugen; ob er jedoch den Autor ehrt, wenn er dessen Aussprüche, gerade soweit sie sich auf Tatsachen beziehen und seine Urteile und Resultate darstellen, von vorneherein zum Stoff einer Polemik so wenig geeignet hält, wie die Delirien eines Fieberkranken, bleibe dahingestellt.

Genialische Veranlagung macht nicht sakrosankt gegen Kritik des Greifbaren, Positiven, das sie hervorbringt. Nur so vielmehr ist die Möglichkeit geboten, jenes sonderbare Phänomen zu begreifen, das in dem Auftreten und in der Erscheinung solcher großer Intelligenzen liegt, die trotz ihres Reichtums und ihrer Größe unter dem Zeichen der Verheerung stehen. »Alles, was ich geschaffen habe, wird zugrunde gehen müssen, weil es mit bösem Willen geschaffen wurde.« Dieser Ausspruch Weiningers wird in seiner letzten Schrift mitgeteilt. Er mußte – in seinem Sinne – das »Böse wollen«, sowie er sein Reich verließ: denn es liegt wie ein Fluch über manchen Menschen, daß sie aus dem ihnen zugewiesenen Element nicht heraus dürfen! Mancher, der stark und zielsicher auf festem Grunde wandelt, scheitert kläglich, so wie er sich darüber erheben will; dem Geiste Weiningers erging es umgekehrt; er war stark in Höhen und Tiefen: aber er verlor sich, sobald er die Erde berührte.


Empfohlene Zitierweise:
Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite VI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)