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geben, »der ihn nicht hat«, wenn er auch noch so stark das Bedürfnis danach empfindet: denn Gefühlsgründe ändern kein Titelchen an der Auffassung der Vernunft.

Natürlich hat das Weib auch keine Logik. Es kennt weder logisches »Gesetz« noch moralische »Pflicht«. »Also« hat es überhaupt kein Ich. »Das absolute (?) Weib hat kein Ich.« Dies ist nach Aussage des Verfassers »ein letztes, wozu alle Analyse des Weibes führt«. Als historische Stützen seiner Anschauung beruft er sich auf – die Chinesen! Seit ältester Zeit sprechen sie dem Weibe eine eigene Seele ab. Sie zählen nur die Knaben, haben sie nur Töchter, so betrachten sie sich als kinderlos, – die Chinesen! Nun wissen wir, wie wir es zu machen haben!

Übrigens geht’s auch bei uns diesbezüglich noch recht chinesisch zu: Las man doch jüngst in einer Tageszeitung in einem Bericht über das italienische Königspaar, der es den Lesern offenbar »menschlich näherbringen« sollte, die Königin Elena habe bei ihrer ersten Entbindung den König und ihre Schwiegermutter »mit Tränen in den Augen« »um Verzeihung gebeten«, daß das Kind ein Mädchen sei! Chinesenfreunde können also zufrieden sein.

Daß unter den Kirchenvätern Augustinus eine höhere Meinung vom Weibe gehabt habe als Tertullian und Origenes wird dem innigen Verhältnis des ersteren zu seiner Mutter zugeschrieben. Es scheint also die Bewertung des Weibes von Privaterlebnissen abzuhängen, weshalb wir uns auch über die Seelenlosigkeit, Ichlosigkeit etc. beruhigen können; ebenso über die »Verhältnislosigkeit« des Weibes. W hat nämlich »kein Verhältnis zu –« nun folgt irgend ein Phänomen (Wahrheit, Ethik, Scham, Mitleid etc.) – eine ständig wiederkehrende Phrase.

Die Seele des Menschen – des Mannmenschen natürlich – sei ein Mikrokosmos: er habe »alles« in sich und könne daher alles werden, je nachdem, was er »in sich

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Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)