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das harte der Tatsachen und der praktischen Folgerung betreten wird: kein noch so »wissenschaftlich« angelegtes und mit innerlicher Tiefe entworfenes Fundament kann für einen Bau von Bedeutung sein und ihm zu Werte verhelfen, wenn der Bau selbst aus morschem Material gezimmert ist, das die Verwesung schon in sich trägt.

Neben sehr treffenden Kriterien der genialen Veranlagung werden solche von erstaunlicher Einfalt aufgestellt, die den Autor schließlich zu der Behauptung führen, kein männliches Wesen sei ganz ungenial! So mancher, der von seiner Genialität bisher keine Ahnung gehabt hat, wird dies schmunzelnd zur Kenntnis nehmen! Die »absolute Bedeutungslosigkeit« der Frauen wird durch Aufzählung verschiedener Berufe erhärtet, in denen die Frauen nichts geleistet hätten, ohne daß mit einer Silbe daran gerührt wird, ob sie wohl die historische Möglichkeit dazu hatten oder nicht. Daß sie in der Musikgeschichte, in der Architektur, in der Plastik und Philosophie nicht das Geringste geleistet hätten, wird ihnen vorgehalten, in einem Atem wird aber gleich darauf eingestanden, der weibliche Baumeister sei »eine fast nur Mitleid weckende Vorstellung«. Daß diese Vorstellung und andere ähnliche jahrhundertelang überhaupt einen Wall bildeten, der alles weibliche Streben von solchen Richtungen ablenkte, wird natürlich nicht gesagt; auch nicht, daß, seit in diesen Wall durch den Ansturm der Frauenbewegung einige Breschen geschlagen wurden, sehr tüchtige und bemerkenswerte weibliche Leistungen sowohl in der Architektur (man denke an die nach dem Leben gezeichnete Figur der Ursine in Reickes berühmtem Roman: »Das grüne Huhn«) als besonders in der Plastik zu verzeichnen sind: Sondererscheinungen natürlich, aber die geringe Zahl erklärt sich doch klar genug daraus, daß es ja eine selbstverständliche Erziehung jedes Mädchens zu einem Berufe noch nicht gibt, daher der Prozentsatz, der sich trotz des Mangels an Förderung

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Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)