Seite:Weiberhass und Weiberverachtung.djvu/38

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sich da feine und zum Teile auch eigenartige Beobachtungen über das Wesen des genialen Menschen, bis wieder ein mehr als gewagtes Salto mortale die ganze Betrachtung zerreißt.

Schon die Behauptung, daß das geniale Bewußtsein das vom »Henidenstadium« (vom Stadium der verschwommenen, mehr instinktiven als intellektuellen Vorstellungen) am weitesten entfernte sei, ist sehr zu bezweifeln: ist doch das Phänomen der halluzinativen, visionären Genialität und Produktionsfähigkeit zahllose Male beobachtet worden, ja es ist fast als typisch zu betrachten, da bei den meisten und bedeutendsten unter den »Schaffenden« der Zustand der Produktion fast immer von einer Art visionärer Entzücktheit getragen ist, die weitab liegt von »grellster Klarheit und Helle« mit der derselbe Schaffende sich vielleicht als Kritiker betätigen kann. Wenn nur gar aus dieser Behauptung, die sich durchaus nicht als stichhaltig erweist, gefolgert wird, Genialität offenbare sich als eine Art höherer Männlichkeit und »darum« könne W nicht genial sein, so ist dies gewiß eine fast kindische Dialektik zu nennen, die sich der abstrakten Spekulation entrückt, und ins Licht der realen Wirklichkeit gestellt, an ihren gewaltsam aneinander-geschraubten Zusammenhängen erkenntlich macht. Die auf das Weib sich beziehende Schlußresumierung der aus der ganzen Theorie gewonnenen Resultate zeigt den traurigen Mut einer kaum glaublichen Unverfrorenheit: die Frau bringe der Genialität kein anderes Verständnis entgegen, als eines, das sich eventuell an die Persönlichkeit eines noch lebenden Trägers knüpft!

Aus solchen Aussprüchen, aus denen sich der auf Tatsachen sich beziehende und berufende Teil dieses Buches zusammensetzt und die deswegen in Debatte gezogen werden müssen, erhellt ein klägliches Abgleiten und Danebengreifen, sowie das nachgiebige Gebiet der Spekulation verlassen und

Empfohlene Zitierweise:
Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)