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Wenn »M« über die Psychologie von »W« »Enthüllungen« zu machen im Begriffe ist, pflegt er manchmal von einer Art Gewissensbissen befallen zu werden, leisen Zweifeln an der Richtigkeit der abgegebenen lapidaren Urteile. Woher und wieso »M« überhaupt imstande sein soll, die geheimsten psychischen Vorgänge im Weibe zu »enthüllen«, darauf hat Weininger natürlich seine Antworten.

Das Recht dazu gebe ihm nämlich erstlich die Frau selbst, da sie entweder Falsches von sich aussage oder überhaupt nichts zu sagen wisse; so habe z. B. noch keine Frau ihre Empfindungen und Gefühle während der Schwangerschaft zum Ausdruck gebracht; Scham hätte sie gewiß nicht daran gehindert, fährt er fort, denn nichts läge einer schwangeren Frau ferner als Scham über ihren Zustand. Wie schamlos es von Seite des Mannes wäre, diese Scham zu erwarten, scheint er aber gar nicht zu ahnen!

Daß sich in früheren, unfernen Zeiten ein wahrer Sturm gegen eine Frau erhoben hätte, die es gewagt hätte, ohne Pseudonym literarische Bekenntnisse über den Zustand ihrer Schwangerschaft zu geben, ignoriert er vollständig; auch daß sich in der kurzen Epoche, da überhaupt realistische Darstellungen der Lebensvorgänge, wie sie sich bar aller verlogenen Illusionen wirklich abspielen, in der Literatur

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Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)