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Beschwerden in Menge erheben sich. Wenn Lohnerhöhung für Holzfuhren von den gnädigen Herren verlangt wird, „denn Diese haben so viele Kronen eingenommen, daß sie guten Lohn zahlen können“, — oder wenn der alte Gnadentaler Schaffner Hans Prassel Aufhebung des Ungelds fordert und dem Rate vorwirft, das Geld verkriegt zu haben, das er besser am Ungelde nachgelassen hätte, so gelten solche Reden kaum den jetzigen Regenten, sondern ihren Vorgängern. Auch die Predigt Girfalks, in der Alle, die Pensionen nehmen, vierfache Mörder gescholten werden, erregt Zorn mehr in der Eidgenossenschaft als in Basel, wo keine Pensioner mehr sind. Aber den herrschenden Rat treffen die Schmähungen Jägers und Leiderers und Andrer, die Verdächtigung des Gescheides durch Hans Fritzschin usw. Eine üble Stimmung gährt auf Basler Boden wie jenseits der Grenzen und nötigt den Rat, seine Schlösser gut zu verwahren, sowie das Abhalten andrer Dorfversammlungen, als die Weg und Steg und gemeines Werk berühren, zu untersagen. Ein Bürger hetzt in Istein markgräfliche Bauern auf und verspricht ihnen Hilfe aus der Stadt. Da und dort werden Frohnen und Zehnten verweigert. Auch die täuferische Meinung spielt hinein, daß das Gebot weltlicher Obrigkeit nicht zu achten sei und das Gebot Gottes vorgehe.

Durch Alles hindurch tönt die Unzufriedenheit mit dem Rate. Die sich durch die Verfassung von 1521 um alte Hoffnungen betrogen fühlen, die Wühler von 1525, die allezeit das Regiment Tadelnden, aber auch ruhige und ihres Rechtes bewußte Bürger — sie Alle haben denselben Willen: die Oligarchie zu brechen, dem Kleinen Rate gegenüber den Großen Rat und in diesem Großen Rate die Gesamtheit der Bürgerschaft zur Geltung zu bringen. In den Zuständen selbst ist begründet, daß, die Solches anstreben, in ihrer Masse zur evangelischen Partei halten, daß diese Partei der Hauptträger allgemeiner populärer Forderungen ist.

Hier haben wir es zu tun mit der religiösen Erhebung.

Die Paritätspolitik des Rates wird durch die Neukirchlichen durchaus verworfen. In unbefangenster Selbstgerechtigkeit sehen sie Übertretung des Predigtmandates nur bei den Päpstlern, auf der eigenen Seite nichts als eine ewige Wahrheit; völlig unduldsam dringen sie darauf, daß einzig ihr Glaube hier gepredigt werde. Denn was Anderes ist die zwiespältige Predigt als „ein Brunn vieler Laster, ein Deckmantel aller Apostüzlerei, eine Irrung der verstrickten Conscienzen, eine Stärkung der Boshaftigen, eine Unterdrückung der Wahrheit, eine Erweckung des Zornes Gottes, eine Schande für die ganze Stadt Basel?“ Darum soll die Predigt der Altgläubigen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/515&oldid=- (Version vom 1.8.2018)