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und Predikaturen am Münster, zu St. Peter, zu St. Ulrich, zu St. Alban, zu St. Theodor, und im Dominikanerkloster.

Alles dies war Regsamkeit der Kirchbehörden, war Organisation und Parteileitung. Dahinter spüren wir das Leben der Partei selbst. Meist als Leben der Gesamtheit, während wir von Einzelnen kaum etwas vernehmen. Nur die paar großen Humanisten, die zur Partei halten, lassen uns kräftige Worte hören.

Aus ihrem Kreise haben sich einst die ersten Anhänger und Führer der lutherischen Reform in Basel erhoben; die Lehre des Erasmus hat den frühen evangelischen Predigten Art und Richtung gegeben. Wie es dann zur Trennung kam und die Reformpartei die ihr Vorgehen nicht billigenden Humanisten abschüttelte, haben wir gesehen.

Jetzt hat die alte Kirche, vielfach erschüttert und in großen Bereichen schon depossediert, an diesen Männern eine Stütze und Stärkung eigener Art. Sie sind ihr äußerlich zugetan und unterworfen, Jeder auf seine persönliche Weise, in seinem besondern Gesinntsein. Glarean hat nur Bitterkeit und Spott für das, was in der neuen Kirche geschieht; er sieht dabei nichts als Heuchelei, nichts als Befeindung der Wissenschaften; er ist, wie wir wissen, nicht gewöhnt, seine Meinung für sich zu behalten; ohne Rückhalt, auch in den öffentlichen Vorlesungen, fährt er über die Evangelischen her. Ruhiger benimmt sich Rhenan, aber nicht weniger entschieden. Luthers einst gute Lehre ist ihm zur Tollheit geworden; den Kampf gegen kirchliche Mißbräuche sieht er in sozialen und politischen Zank ausarten. Wo bleibt die ratio? wo die prudentia? Es ist das verhängnisvolle Jahr 1525, das Jahr der Bauernrebellion und der Täuferei, das ihn zur Besinnung bringt. Es zerstört auch dem Bonifaz Amerbach viele Hoffnungen; fortan bedeuten für sein Empfinden all die evangelischen Dinge nichts Andres als Unruhe, Wahnsinn, Umsturz des von Rechtes wegen Geltenden; Ökolampads Neuerungen erscheinen ihm als Sakrileg, die sogenannte evangelische Freiheit als teuflische Zügellosigkeit. Wahrlich, aus der Germania ist eine Mania geworden; denn was in Basel geschieht, geschieht auch anderwärts. Und mit diesem Wortspiele hilft sich auch Cantiuncula über den Ärger. Was ist von Sichart zu halten und was von Paracelsus? In Freiburg hat man den Sichart einen Anhänger Luthers gescholten; jetzt in Basel verdächtigt ihn Ökolampad, daß er den Katholiken zu Gefallen rede und einen Bischofssitz umschmeichle. Einem Lutheraner würde Erzherzog Ferdinand allerdings den wichtigen Freibrief für seine Studienreisen nicht gewährt haben. Paracelsus hat auch hier wieder eine Stellung für sich allein. Er begrüßt

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/491&oldid=- (Version vom 1.8.2018)