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der Commensalen, Herman von dem Busche! Er war der Verteidiger Reuchlins, der Führer der lutherfreundlichen Humanisten in Deutschland; vor einigen Monaten hatte er am großen Reichstage zu Worms ein mit Drohungen erfülltes Manifest für Luther und wider den Kaiser ausgehen lassen. Gewaltig aufregend wirkte dieser leidenschaftliche, das für wahr Erkannte „mit freier Zunge“ aussprechende Mann im Kreise der Basler Neuerer. Gerade jetzt, hier in Basel, brachte er die alte berühmte Reformschrift des Marsilius von Padua mit ihrem Verlangen einer Kirche ohne Hierarchie gedruckt ans Licht. Seine Genossen am Ferkelessen, Wissenburg und Wolfhart, die Beide Dozenten waren, erregten zur selben Zeit einen Aufruhr an der Universität, um die Wahl eines Rektors nach ihrem Willen und sonstige Neuerungen zu erzwingen.

Von allen Seiten her fühlten sich die Geister in Anspruch genommen. Es war die Zeit der erschütternden Niederlage von Bicocca und des „wilden Lebens“. Aber auch ein Traktat des Erasmus erschien, den er sofort nach dem Klybecker Frevel geschrieben hatte und der sensationell war, weil Erasmus darin dem Bischof Vorstellungen machte wegen des Übermaßes „jüdischer Zeremonien“ in der Kirche, wegen der Belastung des Volkes mit Feiertagen, wegen der rein menschlichen Satzung des Coelibats. Jetzt auch, im Mai 1522, kam es zum ersten Male bei der Tagsatzung zu Debatten in Glaubenssachen und zur Aufforderung an die Orte, wider die neue Predigt einzuschreiten. Und am Ordenskapitel in Leonberg, nach Ostern 1522, hatte sich Pellican wegen seiner Gesinnung zu verantworten.

Die Kirche sah ein, die lutherische Bewegung unterschätzt zu haben. Um so eifriger suchten jetzt ihre Führer nach Mitteln der Abwehr.

Ein Anlaß bot sich in dem Predigtturnus, den Lüthart zu Pfingsten begann. Er legte die Bergpredigt aus, so schonungslos in seinem Eifer, daß die ganze Gegnerschaft in Bewegung kam. Der Bischof berief sämtliche Predikanten vor sich und untersagte das aufrührerische Predigen; außer dem Texte der heiligen Schrift sollten sie sich an die approbierten Kirchenlehrer halten und jede Bemängelung kirchlicher Autorität und Satzung unterlassen.

Zur gleichen Zeit verlangten Bischof und Domkapitel das Einverständnis des Rates zur Festnahme des „Ketzers“ Reublin, „der wider die christlichen Kirchengebräuche und Gottesdienste schreie“. Noch ehe der Rat sich äußern konnte, stand Reublins Gemeinde auf. Sie versammelte sich in der Barfüßerkirche, der Kirche Lütharts und Pellicans, und erklärte, daß sie sich ihren Pfarrer nicht werde nehmen lassen; sie ging erst auseinander,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/349&oldid=- (Version vom 1.8.2018)