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„römischen Gnaden“ drängte sich eine Reihe neuer Unternehmungen, deren größte die Indulgenz zu Gunsten des Baues von St. Peter in Rom war. Als Kommissär dieses Ablasses durchzog der Franziskaner Bernhardin Samson große Gebiete der Eidgenossenschaft, bis im April 1519 die Tagsatzung seine Abberufung durch die Curie durchsetzte. Schon vorher hatte der Basler Rat „wegen der zahlreichen Ablässe, die wir in den letzten Jahren hier gehabt haben, wie auch aus andern Gründen“ diesem Händler den Betrieb in Basel untersagt.

In dem entarteten Indulgenzwesen mußte eine Schändung des Heiligsten gesehen werden. Der Ablaßzettel erschien als eine durch Geld zu erlangende Garantie der Sündenvergebung, das ganze Geschäft als Ausbeutung der Nation für römische Geldbedürfnisse. Im Kreise Rhenans hatte man geglaubt, über den Hausierer Samson sich lustig machen zu sollen, bis man inne ward, daß die Sache nicht zum Lachen sei, sondern zum Weinen.

In solche Stimmungen hinein kamen die Wittenberger Thesen. Viele Jahre später erinnerte sich Pellican daran, wie er sie am Tische des Mülhauser Komturs kennen gelernt habe; Bonifaz Amerbach hatte sie in Freiburg beim Bücherkrämer gefunden und dem mit ihm zusammenwohnenden Thomas Blaurer nach Hause gebracht. In beiden Fällen redet die Erzählung, wohl Späteres in Früheres hineintragend, von tiefstem Ergriffensein durch die Thesen: Pellican war darauf gefaßt, von diesem Augustiner noch Größeres zu erleben, und die beiden Freiburger Studenten fanden, daß jetzt der papistischen Hierarchie der Krieg erklärt sei.

Aber schon schritt Luther selbst mächtig vorwärts. Er veröffentlichte den deutschen Sermon von Ablaß und Gnade und die Resolutionen mit Bestreitung der päpstlichen Autorität. In Disputationen zu Heidelberg und Leipzig, im Verhöre vor dem Legaten Cajetan, in Traktaten und Predigten verwarf er auch die Autorität der Konzilien, verkündete er seine neue Meinung von Kirche Sakramenten und allgemeinem Priestertum, brandmarkte er den Papst als den Antichrist.


Mancher Geist in Basel war zum Empfangen dieser Lehren schon bereitet und stand unter der Wirkung ernster freimütiger Forscher. Im Barfüßerkloster lehrte Paul Scriptoris Sätze, „die man später lutherisch nannte“; dem Pellican verhieß er eine nahe Zeit, in der man die Scholastik liegen lassen und zu den alten Lehrern zurückkehren werde. Auch von sich aus kam Pellican auf solche Gedanken; er hatte Zweifel über die Beichte, über die Lehren von Fegefeuer und Ablaß; mit Capito geriet er in eine

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/340&oldid=- (Version vom 1.8.2018)