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die strengen Worte Capitos, die Dichtungen Gengenbachs mit ihren Charaktermasken von Pfaff und Mönch sind beredte Zeugnisse aus einer Fülle ähnlicher Dokumente heraus; diese Gestalten des Fastnachtspieles, die als konventionelle Figuren auch in Satiren der Humanisten ihre Stelle haben, wenden sich unverkennbar an ein allgemeines Einverständnis; wir haben auch die Abnahme der Stiftungen und Gaben zu beachten.

So bestimmt wir gleichwohl die Stärke und die Glut damaligen religiösen Lebens wahrnehmen, so deutlich sehen wir dieselbe Kirche, die durch Offenbarung ihrer Schätze Viele beglückt, vielen Andern gar nicht mehr genügen, Vielen lästig und widerwärtig sein. Sie „hatte sich an die Welt verloren“ und muß hiefür büßen.

Die mannigfaltigsten Stimmungen Ansprüche und Leiden liegen solchem Gesinntsein zu Grunde: die Rebellion gegen das Fremde in dieser Kirche, gegen ihre römischen Taxen, ihre Steuern, ihre „Kurtisanen“; der Ärger des sich fühlenden Städters über die Sonderrechte des Klerus; das unwillige Tragen von Jahrzeitlasten Ewigzinsen u. dgl.; der Wunsch des Laien, sich unabhängig von der Kirche zu bilden; das an der Oberfläche bleibende Urteil des gemeinen Mannes, der nur das Anstößigste — das Laster, die Härte, die Habsucht von Klerikern und Klostervolk — sieht. Aber auch die Auflehnung neuer religiöser Gedanken, die leidenschaftliche Sehnsucht nach einer Erneuerung des religiösen Lebens.

Es ist Zweifel Tadel Widerspruch, inmitten verbreiteten kirchentreuen Lebens und hart neben Erscheinungen persönlicher Frömmigkeit, die keine kirchliche Autorität befeindet, aber unabhängig von ihr den Weg zu Gott selbst suchen will.

Es lebt in Vielen ein Verlangen nach Befreiung, nach Änderung. Das positive Neue, das an die Stelle des Jetzigen treten soll, wird durch die Einen so, die Andern so geträumt. Allen gemeinsam sind nur die zum Lichte drängenden Triebe des Unbefriedigtseins und der Sehnsucht.


Am 31. Oktober 1517 heftete Martin Luther, Subprior des Augustinerkonvents und Professor der Theologie in Wittenberg, ein Blatt mit fünfundneunzig Thesen an die Türe der dortigen Schloßkirche und lud darin die Gelehrten zu einer Disputation über Lehre und Praxis des Ablasses. Daß dieses an sich nicht singuläre Auftreten sofort eine mächtige Bewegung in weitesten Kreisen wirkte, zeigt, wie zum Höchsten getrieben die allgemeine Spannung war.

Die Wirkungen des Ablaßinstitutes in Basel sind geschildert worden. Auch jetzt ist noch immer von Indulgenzen die Rede. Neben die gewohnten

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/339&oldid=- (Version vom 1.8.2018)