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Christi philosophia, in deren Dienste die humanistische Arbeit steht, dieses wiedergewonnene reine Evangelium, auch alles Große und Wahre umschließe, das Sokrates Plato Seneca und andre Weise des Altertums gelehrt haben.

Solcher Art etwa sind die Themen von Unterhaltungen zwischen den <prave haeretici — nach dem Witzworte der epistolas obscurorum virorum —, die sich im frobenischen Hause treffen. Auch hiebei wieder sind Kräfte von Italien her mittätig: die Lehren der in der Akademie zu Florenz sich an Plato Begeisternden, die in ihm den Paulinismus zu entdecken und durch solche Verbindung das wahre Christentum wiederzufinden meinten. Diese Lehren sind dann wohl durch Johann Cono nach Basel gebracht worden als die philosophia christiana, auf die er den Rhenan hinweist; durch John Colet in Oxford gelangen sie zu Erasmus.

Bei Diesem erscheint nun alles tiefer erfaßt und zugleich schärfer formuliert. Auch von ihm freilich ist die paulinische Auffassung des Christentums, die Gnadenlehre, nicht zu vernehmen. Was er vorträgt, ist eine auf dem Willen, Christ zu sein, und einem ruhigen Vorsehungsglauben ruhende Moral. Es ist die vielleicht aus Jugenderfahrungen im Kreise der Brüder vom gemeinsamen Leben geschöpfte Forderung einfacher praktischer Frömmigkeit, eines Wandels nach der im Evangelium der Bergpredigt verkündeten Lehre, eines Erstrebens der Gotteskindschaft durch die Nachfolge Christi. Dazu eine scharfe Kritik an der kirchlichen Überlieferung und am Dogma sowie, noch entschiedener ausgesprochen als bei den Andern, der Satz, daß diese philosophia Christi schon bei den frommen Heiden zu finden gewesen, daß das Wesentliche der christlichen Lehre schon durch sie vertreten worden sei.

Liebhaber der Musen, nennen sich die Humanisten. Aber auch misobarbari. Ringsum sehen sie diese gehaßten Barbaren stehen und haben durch sie ihre Bahn zu brechen. Es sind nicht nur die rohen und die frivolen Nichtwisser, sondern auch die „Sophisten“, die Vertreter alter Wissenschaft; eine Bildung abwehrend, die der Kirche gegenüber frei und selbständig sein will, hüten sie die „gotischen Disciplinen“; jedes Neue ist ihnen zuwider; „nur ihr eigener Mist gefällt ihnen.“ In dieser Schar von Verachteten ist der Verachtetste, trotz Leontorius und Cono und Pellican, der Mönch. Der in seiner Stumpfheit den alten wissenschaftlichen Ruhm der Klöster schändet, der ungebildet ist und dennoch eine Macht ausübt, der widerlich und unrein ist, „das Tier in der Kutte.“

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/268&oldid=- (Version vom 1.8.2018)