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Vom Eindringen römischen Rechtes in das Stadtrecht ist schon die Rede gewesen. Es war ein Vorgang, der nie mehr zur Ruhe kam, aber dabei keinem allgemein mächtigen Bedürfnisse zu entsprechen hatte, sondern sich darauf beschränkte, dem Stadtrechte einzelne neue Rechtsbegriffe und Rechtssätze zu bringen. Als solche können wir hier erwähnen den Versuch der Einführung einer Obervormundschaftsbehörde im Entwurfe der Stadtgerichtsordnung von 1518/19 und das Statut über das Eintrittsrecht der Großkinder von 1522.

Aber es handelt sich noch um Anderes als um Reception. Um das Streben nach einer Reform der Jurisprudenz, wobei wiederum das Gebot gilt, die Quellen aufzusuchen. Auch die legalis scientia, die Gesetzeswissenschaft, soll erleben, was andern Disziplinen zu Teil geworden ist: sie soll aus den „Dunkelheiten alter Irrtümer“ ans Licht gehoben, der „wahre Intellekt“ gegenüber der überlieferten Meinung und der alte ächte Text der Rechtsbücher gegenüber nachträglicher Kommentation zur Geltung gebracht werden. Auch die philologische Kritik hat dabei zu helfen, und überdies wird Eleganz der Form, Klarheit und Schönheit der Diction verlangt.

Diese Gedanken und Forderungen werden in Basel zunächst nicht durch die eigene Universität verkündet. Sondern aus der Nachbarschaft, von Freiburg her, wirkt in diesem Geiste der große Ulrich Zasius. Er ist das anerkannte Haupt des neugerichteten juristischen Deutschland; er und Budaeus und Alciat sind die Triumvirn für Reform der Jurisprudenz überhaupt. Von der merkwürdig frischen und mächtigen Art des Zasius haben wir schon zu reden gehabt; er ergreift Jeden, der mit ihm zu tun bekommt, und überwältigt ihn.

Auch Basel steht unter seinem Einflusse. Vielleicht ist die Bemühung des Rates um einen päpstlichen Erlaß, daß auch geistliche Personen in Basel das kaiserliche Recht sollen studieren dürfen, 1512, Folge einer solchen Influenz. Namentlich aber haben wir uns an diejenigen Basler Juristen zu halten, die durch die Zucht des Zasius gegangen sind: Lucas Klett, die Officiale Johann Pludanus und Ulrich Schmotzer, Bonifaz Amerbach. Auch Stephan Verdelet (Fredelot Fredler) von Besançon, der 1521 hier eine juristische Lektur versieht, ist Schüler des Zasius gewesen.

Die wichtigste Erscheinung aber ist Claudius Cantiuncula. Er kommt 1517 nach Basel, nicht von Freiburg her. Aber in feuriger Bewunderung gibt er sich dem Zasius zu eigen. Er erhält eine Professur an der Universität, plädiert auch vor dem Gerichte des Officials und schriftstellert. Wie er eine vom Herkömmlichen abweichende Art der Argumentation aufstellt,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/248&oldid=- (Version vom 1.8.2018)