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Diesen coetus doctorum, der in sich selbst schon durch ein mächtiges konzentriertes Schaffen erregt ist, sehen wir zugleich nach allen Seiten hin ins große und Weite wirken. In ihm weht universale Luft. Seine geistigen und wissenschaftlichen Absichten kennen keine Grenzen. Sie bewegen sich in einer republica literaria, die den Erdkreis überspannt und ihre Bürger so gut in London hat als in Basel.

Gemeinsam ist wesentlich die Gesinnung, die sich frei in den verschiedensten Leistungen äußert. Wobei wir uns in den Zustand einer gleichzeitigen wissenschaftlichen Tätigkeit Vieler hineinzudenken haben, die sich ganz unmethodisch vollzieht, ohne gelehrte Zeitschrift, ohne irgend ein gemeinsames Organ, auch ohne eine öffentlich geübte und organisierte Kritik. Die Gesinnungsgemeinschaft ist auch nicht in Sammelpublikationen bezeugt, die wie Programme wirken können. Jeder geht für sich allein. Was Zusammenhang oder Gruppe ist, wird höchstens dokumentiert durch Widmungen Vorreden Zuschriften u. dgl., die man den Editionen und Traktaten beizudrucken pflegt. Namentlich aber lebt dieser Zusammenhang des Basler Humanismus mit demjenigen der übrigen Welt in einer unvergleichlichen Korrespondenz.

Der Brief ist im Dienste der Humanisten-Gesellschaft zu einer Bedeutung gekommen, die er seitdem verloren hat. Er ist getragen durch den erregten, nach jeder literarischen Novität spähenden Geist dieser internationalen Brüderschaft; auch ist er die Form, nicht nur um Belesenheit und Sprachkunst zu zeigen, sondern auch um Entdeckungen Gedanken Anregungen mitzuteilen. Er vertritt in großem Maße das fehlende literarische Journal. Er ist zugleich Geplauder mit guten Freunden und Bekenntnis humanistischen Geistes, daher er als solches auch an Unbekannte gerichtet werden kann, die im gleichen Geiste wirken.

So quillt uns aus der Korrespondenz der Basler ein Leben mannigfaltiger Art entgegen. Die Briefe Rhenans und seiner Genossen, die erasmische Briefmasse, die Briefbände der Amerbache, sie alle sind von einzigem Reize. Sie offenbaren die Fülle der Menschennatur, das unendliche Streben und Sichmühen da und dort, das geistige Glück, die Entwickelung der Wissenschaft.

Auch an das persönliche Zusammentreffen, an die Besuche haben wir zu denken. In die seit Jahrhunderten von überall her kommenden und hier durchströmenden Menschenscharen mengt sich jetzt immer mehr das unruhige Element des Gelehrten, der bald wandert bald zur Sammlung und Arbeit sich in der Nähe einer Druckerpresse oder eines berühmten Mannes niederläßt. Die Basler Humanisten selbst freilich sind meist merkwürdig stabil. Sie haben vielleicht nur Paris gesehen, die Wenigsten je den heiligen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/207&oldid=- (Version vom 1.8.2018)