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Geist eines ungebeugten Kirchenregiments war noch gesteigert durch die energische kampfbewegte Zeit. Wie diese Herren des Kapitels dem Bischof gegenüber sich benahmen, so dem Rate der Stadt.

Äußerlich war das Verhältnis dieser beiden Mächte ja geordnet. Die traditionelle Stellung des Domkapitels im Gemeinwesen galt noch immer. Die Etikette großer städtischer Feste verlangte auch jetzt noch die Beteiligung der Herren auf Burg. Gegenseitig versicherte man sich bei Gelegenheit des besten Willens. Man sei von jeher miteinander verwandt gewesen und wolle wie immer in Lieb und Leid auch jetzt, die Zeit möge sein wie sie wolle, für einander einstehen.

Aber die so redeten und schrieben, hatten doch beständig Streit. Es war das notwendige Ergebnis ihrer gegensätzlichen Existenz. Auch in diesen kleinen Kontroversen, die der Inventierung des Nachlasses von Geistlichen durch die städtische Behörde, der Ablösung der Ewigzinse, der Beiziehung von Klerikern zum Kriegsdienste galten, lebte der große Gedanke vom Wesen der Kirche und ihrer Allmacht, und diesem Bewußtsein gegenüber beim Rate das Gefühl der Souveränität, der Begriff ungeschmälerter Stadtherrschaft und Hoheit.

Diese vielen Diskussionen haben wir hier nicht zu schildern. Aber darzulegen ist, wie nach all dem zerzettelten Hader, in einem Momente hoher Steigerung des öffentlichen Wesens, im Jahre 1512, die beiden Mächte wieder aufeinanderstoßen und nun ihre Begehren und Beschwerden gesammelt zur Verhandlung bringen. Eigenartig ist dabei, daß der Streit nicht offen geführt wird und daß nicht Basel der Kampfplatz ist, sondern die Curie in Rom.

Den Anlaß bietet die uns bekannte eidgenössische Gesandtschaft zu Papst Julius II., in der Basel durch seinen Oberstzunftmeister Lienhard Grieb vertreten ist. Während dieser lebensvollen Wochen, da die Boten der Tagsatzung auf dem Wege nach Rom sind, ist auch das Basler Hochstift in Aufregung. Die Domherren haben erfahren, daß Grieb dem Papst allerhand Wünsche des Rates über kirchliche Dinge vortragen werde. Einzelnes wissen sie nicht, aber sie fürchten Alles. Der Heilige Vater muß daher unterrichtet werden. Denn zahllos sind die Verletzungen kirchlicher Freiheit, die der Basler Klerus schon jetzt zu leiden hat. Heißt der Papst gut, was die Stadt begehrt, so wird der kirchliche Stand zu Basel sein, wie einst das sacerdotium unter König Pharao war. Die Freiheit, die der Papst durch die Gnade Gottes und mit der Hilfe der Schweizer seinem Italien gewonnen hat, wird der Kirche die Knechtschaft bringen.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)