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Erst von 1503 an gibt der Rat seine Anordnungen und Verbote. Die von der Franzosenkrankheit Befallenen dürfen die öffentlichen Brunnen und Bäder nicht gebrauchen, in der Schol und auf dem Markte nichts berühren. Sie sollen überhaupt aller Gemeinsamkeit müßig gehen, sie sollen zu Hause bleiben. Einzelne Fälle will der Rat ins Siechenhaus bringen; aber die Aussätzigen sperren sich gegen diese Hausgenossen und verlangen deren Absonderung mit eigener Wartung, eigener Küche, eigenem Abtritt.


Die Syphilis war nur eine der großen Heimsuchungen, die jetzt über die Menschen hereinbrachen: allerhand Epidemieen und eine weitverbreitete Hungersnot, Erdbeben Hochwasser Teurung. Daß dergestalt zur Erneuung alles Lebensgefühles sofort die Gewißheit eines ringsum Vernichtung drohenden Unheiles trat, gab der Epoche auch von dieser Seite her den Charakter einer gewaltigen Krisis.

Unmittelbar neben Kraft und Freude das tiefste Entsetzen, und was Brant aussprach, daß all die schweren Plagen nichts Anderes seien als Geschosse zürnender Götter, Strafen für die Sünde, war die Überzeugung Vieler.

Wir sehen, wie diese Gesinnung zu Reue und Buße führte. Aber sie konnte auch die Wege wunderlichen oder schauerlichen Aberglaubens gehen.


Geängstigt und erregt von mannigfaltiger Not wendet sich der gemeine Mann an allerhand Gewalten, durch die er sein Leben geheimnisvoll begleitet wähnt. Er befragt Segner und Segnerinnen, die Verlorenes aufdecken oder Träume deuten. Eine Reihe schwerer dunkler Regentage gilt dem Volk als Strafe dafür, daß man eine Selbstmörderin in geweihter Erde bestattet hat; es nötigt den Rat, die Leiche wieder auszugraben und in den Rhein zu werfen. Schon der Komet des Jahres 1472 ruft düstern Ahnungen. Daß im Sommer 1474, während Basel durch die größten Gefahren bedroht ist, ein Hahn ein Ei legt, kann nur ein schlimmes Vorzeichen sein und bringt die ganze Stadt in Aufregung; der Rat beseitigt daher den Anstoß so rasch als möglich und läßt den Hahn seine Verirrung mit dem Feuertode durch Henkers Hand büßen. Wie der Wahn auch sonst sich regt und die Menschen plagt, zeigt der Traktat über Geister und Dämonen, mit dessen Abfassung der Konzilssekretär Numagen, da er durch die Verhaftung seines Herrn Andreas stellenlos geworden ist, sich über die Zeit hinwegzuhelfen sucht. Johann Bergman freilich will von den Geistern, die hier bei hellem Tageslichte zu sehen gewesen, nicht reden;

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 943. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/422&oldid=- (Version vom 4.8.2020)