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uns, aus der nur Weniges sofort hervortritt, wie z. B. die der Zeit eigenen Gruppen der verwilderten Scholaren und der ausgelassenen Buchdruckergesellen. Auch im Übrigen aber bringen uns Akten und Literatur nur das Schlimme vor Augen, das diese allverbreitet unbändige Kraft anrichtet. Von „Bosheit und Raub“ ist viel die Rede, und merkwürdig oft von Totschlägen; unter diesen erregen Aufsehen die Ermordung des eigenen Vaters durch Franz von Brunn und die Tötung des bekannten Metzgers Uli Mörnach durch Hans von Veringen und Klaus Pfister 1502. Überall ist Kampflust und Ungestüm, sodaß auch alte Sitten in Übermaß entarten. Der fröhliche harmlose Kirchweihbesuch z. B. genügt nicht mehr; man zieht nun rottenweise hin, mit Trommeln und Pfeifen, in Waffen und Wehr. Daher auch der gewohnte Zug nach Haltingen am Georgsfeste jetzt verboten wird. Daher auch Geiler auf der Münsterkanzel seine Zuhörer davon abhalten will, Sonntags in die Dörfer zu gehen, gen Weil oder gen Binningen oder gen Kleinhüningen in die Krautgärten oder gen Riehen zu den guten Fischen, und dort zu prassen.


Über dies ganze Gewühl und Getöse hin wirkt die von allen Seiten hereindringende Macht einer Bewegung, die durch die Welt geht.

Die „wilden Läufe“ sind ein allgemeines Übel. Bettlerbanden Gauner und Mordgesindel halten ringsum das Land in Unruhe, und von ihrem Treiben ist das spezielle Unwesen des „Geläufs der Knechte“ schwer zu sondern.

Diese Kriegsleute und Söldner, die „laufenden knechte“, die „müßigen mutwilligen knechte“, sind ein Charakteristikum der Zeit. Man hat ihre fast unausgesetzte Erwähnung in den Basler Ratsbüchern, aber auch in den Protokollen der Eidgenossenschaft und der Niedern Vereinigung zu beachten, um die Bedeutung dieses gesellschaftlichen Elementes zu würdigen. Die im Leben des Heeres oder der Freischar verwilderten, zwischenhinein beschäftigungslosen Leute werden überall angetroffen; sie bringen ihre Soldatenmanieren auch in die friedlichste Umgebung. Vom Kriege nicht mehr oder noch nicht in Anspruch genommen, aber für jede bürgerliche Ordnung gründlich verdorben, treiben diese Bewaffneten, die auch kühne Landstreicher und gewaltige Bettler heißen können, meist mit einem Anhange von Dirnen, Unfug in jedem Wirtshaus, übertreten die Spielverbote, belästigen die städtischen Gassen, gefährden die Landstraßen, rufen mit ihrem Trotz und Lärm, ihrer Rauflust, ihren langen Degen, ihrer üppigen und verwegenen Tracht unaufhörlich der Polizei. Basel steht mitten im Getreibe, als Durchgangs-

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 941. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/420&oldid=- (Version vom 4.8.2020)